Startseite> Fortbildung> consilium> Podcast> Podcast - Pädiatrie> consilium - der Pädiatrie-Podcast - Folge 66

consilium - DER PÄDIATRIE-PODCAST - Folge #66 - 12.12.2025

consilium – der Pädiatrie-Podcast

mit Dr. Axel Enninger

consilium Podcast mit Dr. Axel Enninger

Angst – Wege aus der Vermeidung finden

Axel Enninger: Mein Gast heute ist

Prof. Dr. Julia Asbrand


DR. AXEL ENNINGER…

… ist Kinder- und Jugendarzt aus Überzeugung und mit Leib und Seele. Er ist ärztlicher Direktor der Allgemeinen und Speziellen Pädiatrie am Klinikum Stuttgart, besser bekannt als das Olgahospital – in Stuttgart „das Olgäle“ genannt.Kardiologie in der pädiatrischen Praxis

Axel Enninger: Herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer neuen Folge von consilium, dem Pädiatrie-Podcast. Heute sprechen wir über Angst bei Kindern und Jugendlichen und wir sprechen vielleicht nicht nur über Angst, sondern auch über das, was so passieren kann mit Angst. Und meine Gesprächspartnerin ist Frau Professor Julia Asbrand. Herzlich willkommen!

Julia Asbrand: Vielen Dank für die Einladung, Herr Enninger!

Axel Enninger: Sehr gerne. Ich stelle Sie kurz vor: Sie sind Diplompsychologin, Sie sind Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Sie haben eine Professur inne für Klinische Psychologie des Kinder- und Jugendalters an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und Sie sind Leiterin der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz für Kinder, Jugendliche und Familien. Korrekt?

Julia Asbrand: Alles ganz korrekt. Super.

Forschen und behandeln

Axel Enninger: Und daraus kann man schon schließen, dass Sie irgendwo zwischen der ambulanten Praxis und einer Hochschultätigkeit sind, Sie haben nämlich eine besondere Sorte der Versorgung. Erklären Sie uns doch kurz, in welchem Setting Sie arbeiten.

Julia Asbrand: Genau, das kommt immer ganz darauf an, aus welcher Perspektive man guckt. Wir sind natürlich eine Universität, damit haben wir vor allem einen Forschungsschwerpunkt. Und unsere Ambulanz ist insofern besonders, weil es eine psychotherapeutische Hochschulambulanz ist. Wir haben eigentlich eine Art Sonderzulassung nach Paragraph 117 SGB 5. Das gibt es auch an den psychiatrischen Universitätskliniken, dass wir eben Richtlinien-Psychotherapie anbieten können, aber mit einem speziellen Auftrag für Forschung und Lehre. Das heißt, wir rechnen mit den Krankenkassen ab, wir nehmen nicht nur privat versicherte PatientInnen. Aber wir nehmen nicht in dem Sinne an der Versorgung teil, dass wir zum Beispiel einen Kassensitz hätten, wie das zum Beispiel in einem MVZ der Fall wäre. Das bedeutet schlussendlich, mit diesem Auftrag für Forschung und Lehre, dass wir entweder Therapien machen, die einen besonderen Bedarf haben für unsere Forschung, also wir forschen eben zum Beispiel zum Thema Angst, und dann sollen natürlich die Kinder auch hinterher nach der Teilnahme an unseren Projekten eine Versorgung bekommen, oder wir können PatientInnen aufnehmen, die eine sehr komplexe Thematik haben. Und im Bereich der Lehre ist es so, dass die Studierenden bei uns an der Behandlung teilnehmen, um zu lernen, wie man denn Psychotherapie schlussendlich macht.

Angst wird zum Problem, wenn sie einschränkt

Axel Enninger: Okay, und Ihr Forschungsschwerpunkt ist Angst. Jetzt kann man sagen, na ja, Angst haben wir irgendwie alle. Wann ist Angst denn ein Problem?

Julia Asbrand: Genau. Das heißt, wir bewegen uns natürlich oft auch auf der Grenze subklinische Angst oder sogar auch Angststörungen. Und darum geht es schlussendlich auch. Angst haben wir alle, kennen wir alle, das ist oft auch ein ganz zentrales Thema in der Behandlung von Kindern, dass es eben niemanden gibt, der keine Angst hat, sondern Angst ist evolutionär sinnvoll und Angst wird eben dann eigentlich zu einem Problem, wenn wir zum Beispiel bestimmte Dinge nicht mehr tun können, die wir eigentlich gerne tun wollen. Also zum Beispiel, wenn wir aus der Angst vor Spinnen nicht mehr campen gehen, obwohl das eigentlich die bevorzugte Art des Familienurlaubs ist. Oder wenn ich nicht mehr allein zur Schule laufen kann, weil da immer so ein großer Hund an einem Gartentor ist. Also das heißt, wenn ich eine Einschränkung oder einen Leidensdruck im Alltag entwickle, dass ich Dinge nicht mehr tun kann, also wenn Vermeidung zu einem großen Problem wird.

Globale Krisen, wie viel Unsicherheit halten wir aus?

Axel Enninger: Und was kann man da forschen, was forschen Sie so?

Julia Asbrand: Grundsätzlich ist es natürlich immer wichtig, wenn man etwas effektiv behandeln möchte, zu verstehen, wo es herkommt, also die Grundlagen besser zu verstehen. Und da gibt es einmal die verursachenden Faktoren, aber auch die aufrechterhaltenden Faktoren. Und wir wissen beim Thema Angst schon relativ viel – vor allem aber aus dem Erwachsenenalter und weniger aus dem Kindes- und Jugendalter. Da spielt dann immer zum Beispiel eine Rolle, welche Funktion haben eigentlich die Eltern im Bereich Angst, was ist etwas, was man erlernt, was ist vielleicht auch etwas, was angeboren ist, also irgendwo genetisch mitbedingt ist. Und all das soll uns dann dazu führen, in der Behandlung den richtigen Mechanismus zu erwischen, sodass wir wirklich möglichst schnell und zügig auch zu einem Behandlungserfolg kommen.

Axel Enninger: Sind diffuse Dinge wie Angst vor Klimawandel, Angst vor Veränderungen ein Thema bei Ihnen?

Julia Asbrand: Es wird immer mehr zu einem Thema, zu dem einen forsche ich jetzt auch. Ich glaube, startend mit der COVID-19-Pandemie haben ganz viele das Thema mit aufgenommen. Ich habe auch versucht, es mir mehr anzugucken, aus einer „Stressperspektive“, weil das mein Forschungsschwerpunkt ist. Also zu verstehen, was macht denn dieser diffuse Stress, „globale Stress“, mit uns als Individuen. Ein Thema, was da zum Beispiel eine Rolle spielen kann, ist eine sogenannte „Unsicherheitsintoleranz“. Das heißt, dass wir uns alle auch darin unterscheiden, wie viel Unsicherheit wir eigentlich aushalten. Und das ist natürlich etwas, das bei globalen Krisen eine ganz zentrale Rolle spielt. Wir beide wissen es nicht, die Politik weiß es auch nicht, wie die Welt in 5 oder in 10 Jahren aussieht, und das heißt, es kommt natürlich auch darauf an, wie viel davon man denn aushalten kann. Wie viel möchte man selber beeinflussen, aber wo kann man auch aushalten, dass man es einfach nicht weiß.

Axel Enninger: Möglicherweise ja auch ein Punkt, warum Menschen, die einfache Antworten geben, momentan einen gewissen Zulauf haben, oder?

Julia Asbrand: Genau, das kann ich mir gut vorstellen. Einmal spielt das Thema Unsicherheitsintoleranz eine Rolle. Was ich aber auch kenne, was bei ganz vielen psychischen Erkrankungen, vor allem auch Angst, eine Rolle spielt, ist der Wunsch nach Kontrolle. Wo man zum Beispiel auch sagt, ich versuche so viel wie möglich zu kontrollieren, weil es so viele Dinge auf der Welt gibt, die unkontrollierbar sind. Das kann ich total gut nachvollziehen. Ich glaube, Sie sicherlich auch. Aber es wird natürlich eine Schwierigkeit, wenn man daraus Verhaltensmuster, Verhaltensweisen, Überzeugungen entwickelt, die für einen selbst, aber vielleicht auch für andere um einen herum problematisch werden.

Axel Enninger: Sie hatten vorhin schon kurz das Kind erwähnt, das nicht in die Kita geht, weil da irgendwie ein Hund beim Nachbarn steht, und das führt jetzt dazu, dass es echt Stress gibt, weil dieses Kind sagt: ‚Nö, Kita ist nicht.‘ Ist das ein typisches Szenario oder ist das etwas Konstruiertes?

Julia Asbrand: Das ist schon etwas, was sich relativ schnell entwickeln kann und wo es auch erst einmal darum geht, ein bisschen abzuwarten. Ist das vielleicht jetzt auch einfach eine Phase, ist der Hund vielleicht wirklich besonders groß? Und auch: Gibt es einen realistischen Hintergrund? Weiß das Kind zum Beispiel gar nicht so richtig, wie es mit einem Hund umzugehen hat? Das finde ich es auch immer wieder wichtig, sich vor Augen zu führen, wenn wir jetzt über ein Kita-Kind oder ein junges Grundschulkind sprechen, das ist vielleicht 1,20 m, 1,30 m groß. Wenn da ein ausgewachsener Schäferhund vor einem steht, das ist ein wirklich großes Tier. Da heißt es das dann auch erst einmal anzugehen und zu überlegen, woran kann ich denn zum Beispiel sehen, wie ein Hund gerade drauf ist, ob der mir wohlgesonnen ist oder nicht, auch vielleicht den Besitzer zu fragen. Und dann so ein bisschen abzuwarten. Vielleicht geht es auch nach einer Zeit wieder vorbei. Wenn es aber bestehen bleibt, wenn dauerhaft eine Beeinträchtigung mit dazu kommt, dann ist es etwas, wo wir einfach auch sagen, okay, das ist jetzt vermutlich eine Phobie, also eine besondere Form der Angststörung, das heißt, eine starke Angst, die dauerhaft und mit Beeinträchtigung verbunden ist und die das Kind davon abhält, an seinem Alltag so teilzunehmen, wie es das eigentlich wollte.

Axel Enninger: Also nur noch mal zur Wiederholung. Nicht jede Angst ist eine Phobie. Und eine Phobie ist noch mal durch was gekennzeichnet?

Julia Asbrand: Also eine Phobie, ein griechisches Wort oder kommt aus dem Griechischen, ist eigentlich immer eine Angst vor etwas, vor etwas Bestimmtem, vor einer bestimmten Situation, Höhe, das ist auch etwas, das viele kennen oder vor einem bestimmten Objekt, wie zum Beispiel einem Hund, einer Spinne oder so etwas, also das heißt, wir haben eine relativ umgrenzte Angst, und das ist dann schlussendlich der phobische Stimulus, wenn man so möchte. Da haben wir die Phobie, die diese spezifische Angst beschreibt. Andere Angststörungen, wenn wir von Angststörungen sprechen, sind oft etwas umfassender, also zum Beispiel eine soziale oder generalisierte Angststörung. Da hat man in ganz vielen verschiedenen Situationen unter ganz vielen verschiedenen Bedingungen Angst.

Axel Enninger: Was sind denn so die Klassiker? Also gibt es typische Dinge, wo Sie sagen würden, ja, das ist wirklich, sage ich jetzt mal, eine „Legende“ oder ist es wirklich so, dass Menschen Angst haben, über leere große Plätze zu gehen? Ist es eine Legende oder ist es wirklich so, dass es mehr Leute gibt, die vor Dunkelheit Angst haben? Was sind da Ihre typischen Dinge – und ja, lassen Sie uns doch ein bisschen teilhaben an dem, was „klassisch“ bei Ihnen ist.

Normative Angst oder Angststörung?

Julia Asbrand: Genau. Also hier würde ich auch wieder erst einmal unterscheiden: Was sind normative Ängste, also Ängste, die jedes Kind oder jeder Mensch irgendwo erlebt, und dann, was ist eine Angststörung? Bei den normativen Ängsten ist es so, dass fast jedes Kind im Laufe seiner Entwicklung Angst vor Dunkelheit hat oder die Angst davor alleine zu sein, die Angst vor Monstern unterm Bett oder vor bestimmten Tieren, auch vor Feuer, Krieg erlebt. Das sind alles Ängste, die irgendwann im Laufe der Entwicklung auftreten und die eigentlich auch kennzeichnen, dass das Kind verstanden hat: ‚Hey, das könnte gefährlich sein.‘

Axel Enninger: Und das heißt „normative Angst“?

Julia Asbrand: Genau, normative Angst bedeutet in diesem Sinne, dass es keine Störung ist, sondern es tritt bei jedem Kind zu einer bestimmten Zeit auf. Das, was eine der ersten Ängste ist, wenn man so möchte, und das eigentlich alle Eltern kennen, ist das Fremdeln. Das heißt, so nach 6 bis 8 Monaten fängt das Kind, das vorher bei jedem auf dem Arm glücklich war, an zu schreien, wenn eine fremde Person es auf dem Arm hat. Und das kennzeichnet einfach diesen Entwicklungsschritt: Oh, ich habe verstanden, es gibt unterschiedliche Menschen auf der Welt. Es gibt Menschen, mit denen ich eine Verbindung habe, eine Bindung habe, und andere sind mir fremd. Und eben diese normativen Ängste kennzeichnen eigentlich immer einen gewissen Entwicklungsschritt. Ein Punkt, der viele Eltern auch überrascht oder überfordert, ist, dass Kinder im Grundschulalter oft eine große Angst vor dem Tod entwickeln, weil sie ab einem bestimmten Zeitpunkt verstehen, das ist wirklich endgültig. Da kommt eben nicht jemand zurück wie im Film, wo dann ein Zauberspruch gesagt wird und dann wird man wieder lebendig. Also das heißt, das sind normative Ängste, die einfach zeigen: Ich verstehe etwas, ich verstehe die Brisanz einer bestimmten Situation, auch die Gefahr. Und das ist etwas, was man dann einfach begleiten und abwarten kann. Dann ist die Frage, bleibt es bestehen bleibt oder wird sehr stark? Dann sprechen wir eher von Angststörungen, die in ganz unterschiedlichen Bereichen auftreten können. Man kann auch eine Phobie vor der Dunkelheit oder vor einem bestimmten Tier entwickeln. Die spezifischen Phobien sind auch die, die in der Entwicklung als Erstes auftreten. Im Jugendalter kommen typischerweise soziale Ängste mit dazu und dann auch die soziale Angststörung, also die Angst davor, von anderen negativ bewertet zu werden, sich peinlich zu verhalten, dass einen die anderen nicht mögen schlussendlich.

Axel Enninger: Okay, das heißt, Sie haben gesagt, die Stärke ist ein Kriterium, die Dauer ist ein Kriterium. Dann, das habe ich noch nicht so ganz verstanden, geht es auch um die Beeinträchtigung durch das, wovor ich Angst habe, richtig?

Julia Asbrand: Genau, also Beeinträchtigungen erkläre ich den Kindern ganz gerne so: Wenn ich wahnsinnig gerne Fußball spiele und ich breche mir das Bein, dann ist das natürlich eine massive Beeinträchtigung, weil ich dann 3 bis 6 Wochen kein Fußball mehr spielen kann. Wenn mein Lieblingshobby Malen ist, dann ist die Beeinträchtigung eigentlich gar nicht so furchtbar hoch. Das heißt, es kann einerseits subjektiv sein. Zum anderen ist es aber auch so, dass es mich vielleicht von bestimmten Entwicklungsschritten abhält. Zum Beispiel ein Kind, das wahnsinnige Angst davor hat, etwas in der Klasse zu sagen oder sich am Unterricht zu beteiligen, bekommt dann vielleicht nicht die Noten, zu denen es eigentlich in der Lage wäre, kriegt dann vielleicht auch den Übergang in die nächste Klasse nicht hin, obwohl es eigentlich die Leistung dazu hätte. Das heißt, es geht immer um die Teilnahme am Leben, darum, das machen zu können, was man gerne machen möchte, was man vielleicht auch entwicklungsbedingt machen sollte. Und da genau hinzuschauen, ob es für das Kind vielleicht gerade okay ist, dass es mal so eine Phase hat, oder ob es da wirklich auch Einschränkungen erlebt.

Die Eltern: wissenschaftlich gesehen nur ein kleiner Teil der Erklärung

Axel Enninger: Und da könnte ich mir vorstellen, ist die Rolle der Eltern nicht ganz unerheblich, dem Kind dabei entweder unterstützend zur Seite zu stehen oder aber durch, sage ich mal, Verhaltensweisen dazu beizutragen, dass das Kind eben diesen Entwicklungsschritt vielleicht nicht macht. Wie ist denn da die Rolle der Eltern?

Julia Asbrand: Also das ist ganz interessant, weil es darauf ankommt. Ich beantworte die Frage jetzt einmal aus der wissenschaftlichen Perspektive und einmal aus der klinischen Perspektive.

Axel Enninger: Ja, sehr gerne.

Julia Asbrand: Ich fange mit der klinischen Perspektive an, weil es natürlich so ist: Die Eltern bauen zum Beispiel so ein Vermeidungssystem auf. Das heißt, das Kind muss zum Beispiel gar nicht mehr alleine sein, weil es Angst davor hat, allein zu sein. Das Kind hat irgendwann überhaupt kein Problem mehr, weil es ja nie allein ist, aber die Eltern schon. Genauso ist es so, dass Eltern vielleicht auch selbst als Modell zur Verfügung stehen. Das heißt, dass sie selbst ängstlich reagieren und das Kind guckt sich das dann so ein bisschen ab. Das heißt einfach, dass Eltern oft bewusst oder unbewusst Ängste aufrechterhalten, weil sie zum Beispiel versuchen, ihrem Kind etwas abzunehmen. Das Kind leidet, das sieht man dann ja, das kann man nachvollziehen, und dann versucht man, es dem Kind abzunehmen. Es gibt in der Forschung, jetzt komme ich ein bisschen mehr zur Forschung, auch viele Studien dazu, dass die Eltern eher überengagiert sind. Das heißt, dass sie dem Kind einfach zu viel abnehmen, dass das Kind so richtig gar keine Herausforderungen mehr erlebt. Zum anderen ist es dann aber auch so, wenn man es sich auf einer metaanalytischen Ebene anguckt, dass der Einfluss der Eltern extrem gering ist. Es gibt eine große Metaanalyse, die jetzt auch schon älter ist, fast 20 Jahre alt, aber die war sehr beeindruckend, weil sie gezeigt hat, dass die Varianz an der Angststörung des Kindes, die aufgeklärt wird durch das Elternverhalten, bei 4 % liegt. Das heißt, 96 % der Symptomatik lassen sich irgendwie anders erklären. Da kann man viel auch methodisch kritisieren, ob das vielleicht auch an den Verfahren lag, wie das Ganze gemessen wurde. Aber schlussendlich ist es so, es ist nicht überragend, was Eltern da an Einfluss haben. Zum anderen wissen wir auch aus Behandlungsstudien bei Angststörungen, dass es völlig egal ist, ob sie die Eltern einbeziehen oder nicht, sie haben denselben Behandlungserfolg. Und das kann man jetzt negativ sehen in dem Sinne, dass man denkt: Oh nein, aber ich dachte mir doch, die Eltern sind ganz zentral. Oder man sagt: Ja, ist doch super. Wenn die Eltern Lust haben, an der Behandlung teilzunehmen, ist es prima. Wenn sie keine Lust haben oder es aus irgendwelchen Gründen nicht geht, ist es für das Kind trotzdem gut.

Axel Enninger: Okay, das finde ich ja superspannend. Der Kinderarzt in mir, der schon lange Familien in seiner Sprechstunde beobachtet, hat auch den Eindruck, dass wir aktuell eine Phase haben, wo Eltern ihren Kindern sehr viel abnehmen, die Kinder sehr behütet aufwachsen und wo man zum Teil denkt: ‚Ach Mensch, jetzt lass den sich doch mal eine Beule holen‘ und so weiter. Aber Sie sagen, bezüglich der Ängste ist das eigentlich gar nicht so superrelevant und für die Therapie auch gar nicht so superrelevant? Das ist ja spannend.

Julia Asbrand: Also es geht immer darum, wenn man das als einzelnen Faktor betrachtet. Was natürlich passiert, ist, dass da eine Interaktion entsteht. Also das Kind verhält sich zum Beispiel ängstlich oder es passiert irgendetwas in der Schule und die Eltern reagieren darauf. Das heißt, schlussendlich spielen die Eltern natürlich eine gewisse Rolle, aber die Rolle ist nicht so groß, wie wir das vielleicht von außen denken würden, gerade bei dem, was Sie beschreiben. Natürlich sind Eltern besorgt um das Wohlergehen ihres Kindes. Es wird mir an vielen Stellen zugetragen, auch aus einer soziologischen Perspektive, dass sich die Elternrolle sehr geändert hat. Gleichzeitig haben sich aber auch viele andere Sachen geändert. Unser Schulsystem ist relativ marode, es gibt viele globale Krisen, die auch unsere Themen in der Welt bestimmen. Wir könnten noch fünf andere Sachen auflisten. Wir werden es schlussendlich wissenschaftlich nicht gescheit auseinanderdividieren können, woran es jetzt liegt, dass vielleicht Kinder ängstlicher sind oder auch Eltern ein gewisses überprotektives Verhalten zeigen. Ich finde auf der Seite immer: Ja, Eltern können ihren Kindern, glaube ich, durchaus mehr Herausforderungen zumuten. Das ist auf jeden Fall eine sehr sinnvolle Sache. Es ist auch gezeigt, dass es etwas ist, was unterstützt, dass Kinder weniger Ängste haben, wenn man sie auch mal ein bisschen herausfordert. Aber man wird jetzt nicht, nur weil man etwas behütender ist, sofort sein Kind in einen Abgrund stürzen, sodass es nie wieder aus der Angststörung herauskommt. Sondern es ist immer wieder sinnvoll zu reflektieren, warum mache ich das jetzt eigentlich gerade? Liegt es an meiner eigenen Angst? Liegt es an der Angst des Kindes? Kann ich irgendwo herausfordernder werden? Aber wie gesagt, es sind nicht die Eltern alleine, die diese Symptomatik beeinflussen.

Axel Enninger: Trotzdem vielleicht noch einmal gefragt: Würden Sie aus Ihrer Sicht den in aller Regel zuhörenden Kinder- und JugendärztInnen etwas mit auf den Weg geben wollen, wie man mit dieser Tendenz der eher behütenden Eltern umgeht? Klappe halten, etwas dazu sagen oder sagen Sie: ‚Machen Sie so, wie Sie denken‘?

Julia Asbrand: Also zum einen würde ich erst mal sagen, dass man da natürlich auch selbst gucken muss, wie man darauf reagiert, wie fit man sich mit diesem Thema fühlt. Wie sehr möchte ich den Eltern da jetzt vielleicht auch reinreden? Ich finde es durchaus sinnvoll, Eltern zu fragen oder mal zu spiegeln: „Ich merke, dass Sie Ihrem Kind relativ viel abnehmen. Woran liegt denn das?“ Also so ein bisschen auch zu fragen, welche Kognitionen die Eltern vielleicht haben oder welche Befürchtungen. Was steckt bei ihnen eigentlich dahinter? Sind sie vielleicht selbst ängstlich? Ich kenne eben auch Familien, da waren die Kinder zum Zeitpunkt der Geburt erst einmal auf der Intensivstation. Das heißt, die Eltern haben auch so eine bedrohliche Erfahrung gemacht, und dann werden die Eltern überprotektiv. Da kann man einfach auch noch mal eine Gesprächsebene bieten: „Warum sind sie denn der Meinung, dass ihr Kind so viel Unterstützung braucht?“ Und so ein bisschen Anregung geben: „Lassen Sie es doch mal an bestimmten Stellen auch Sachen alleine ausprobieren.“ Ich glaube, das ist etwas, wo man schon sensibel vorgehen sollte und hinterfragen kann. Und Eltern natürlich auch so ein bisschen diese Idee mitgeben kann: ‚Ich glaube, Ihr Kind schafft das schon alleine, ich glaube, Ihr Kind ist schon richtig fit.‘ Das kenne ich auch aus meiner eigenen Forschung: Eine gewisse Flexibilität fehlt den Eltern dann zum Teil. Ich muss mich natürlich gegenüber meinem fünfjährigen Kind ganz anders verhalten als gegenüber dem Fünfzehnjährigen. Das heißt, ich muss als Eltern lernen loszulassen und meinem Kind mehr zuzutrauen. Diesen Prozess sollte man eher ein bisschen mehr unterstützen und nicht den Eltern sagen: ‚Sie sind völlig überprotektiv. Hören Sie bitte auf damit.‘ Sondern eher hinterfragen: ‚Warum machen Sie das? Und vielleicht können wir gemeinsam Ihrem Kind etwas mehr zutrauen.‘

Häufige Störungen: Phobien, soziale Angst, Trennungsangst, Panik

Axel Enninger: Okay, sehr schön. Kommen wir noch mal zurück. Wir alle lieben ja Klassifikationen und ich ahne, dass es auch bei Ängsten oder Angststörungen bestimmte Einstufungen, Eingruppierungen gibt. Können Sie uns da noch mal helfen, wie sortieren Sie Angststörungen?

Julia Asbrand: Genau, also wir arbeiten ja alle mit der ICD, und die ICD, auch wenn wir immer noch auf die finale Übersetzung warten, scheut sie nicht weitere Unterkategorien. Ein paar habe ich jetzt auch schon angesprochen. Das sind die sozialen Angststörungen, die spezifischen Phobien, beide recht häufig. Gerade im frühen Kindesalter haben wir noch die emotionale Störung mit Trennungsangst oder heute wird sie Trennungsangststörung genannt, also diese Angst davor, die Bezugspersonen zu verlieren oder alleine zu sein. Und je älter die Kinder und Jugendlichen werden, desto mehr Angststörungen kommen hinzu, die man eher so aus dem Erwachsenenalter kennt, also generalisierte Angststörung. Da springen die Ängste eigentlich. Ich habe heute Angst vor Krieg, dann Angst davor, zu spät zu kommen, dann Angst um meine eigene Zukunft, dann um meine Eltern, um meine Geschwister und so weiter. Sie haben vorhin schon diese Angst, über den Platz zu gehen, erwähnt, das wird ja gerne so genannt, die Agoraphobie. Eigentlich geht es da eher darum, dass es eine Menschenmenge auf diesem Platz oder an diesem Ort gibt, und man kommt nicht weg davon. Also klassische Situationen für die Agoraphobie, also die sogenannte „Platzangst“, sind gar nicht unbedingt der leere Platz, sondern zum Beispiel das Kino, ein Freizeitpark, ein voller Marktplatz. Das wären so klassische Situationen.

Axel Enninger: Okay, habe ich völlig anders abgespeichert. Da habe ich immer gedacht, ein großer leerer Platz mit mir alleine drauf. Es ist genau das Gegenteil. Ein Platz mit ganz vielen Menschen um mich herum.

Julia Asbrand: Genau, und das ist immer diese Angst, da passiert irgendetwas und ich komme da nicht weg. Oft taucht sie auch verbunden auf mit einer Panikstörung. Ganz viele Menschen erleben in ihrem Leben, das sind, glaube ich, wirklich ein Fünftel bis sogar noch mehr, irgendwann eine Panikattacke. Das ist eine ganz rapide ansteigende Angst mit einer starken körperlichen Reaktion, also Herzklopfen, Schwitzen, Zittern, auch ein Depersonalisationserleben. Das heißt, ich stehe neben mir, bis hin dazu, dass ich habe Angst davor habe, jetzt gerade zu sterben. Ein Panikanfall kann einmal einfach aus dem Blauen heraus auftreten oder auch im Rahmen einer bestimmten Angststörung. Und wenn die häufiger auftreten und sich so eine Angst vor der Angst entwickelt, dann sprechen wir von einer Panikstörung. Und das kann eben so etwas sein wie: Ich habe auf einem Platz Angst davor, eine Panikattacke zu bekommen und dann nicht wegzukommen. Oder auch: Ich fange an, die Sorge zu entwickeln, irgendwo draußen könnte ich eine Panikattacke haben und verlasse dann gar nicht mehr das Haus. Also das wäre auch so eine extreme Form der Agoraphobie. Das sind Menschen, die gar nicht mehr das Haus verlassen. Wir haben ein relativ breites Spektrum von Angststörungen. Sie unterscheiden sich eigentlich in ihrer Begrenzung. Wie gesagt, die spezifischen Phobien sind eng begrenzt. Was der absolute Klassiker ist, ist, dass Angststörungen komorbid auftreten, also dass man zum Beispiel nicht nur eine soziale Angststörung hat, sondern dazu noch eine spezifische Angst vor Spinnen oder so etwas.

Mehr Angst seit der Pandemie und – zu viele Möglichkeiten?!

Axel Enninger: Okay. Viele psychische Störungen sind ja in der Coronazeit mehr geworden, also typischerweise Essstörungen. Gilt das für Angststörungen auch?

Julia Asbrand: Ja, also die Angststörungen und die Depressionen waren die, die wirklich recht sensitiv waren für die COVID-19-Pandemie. Das heißt, da haben wir einen Anstieg gesehen. Tatsächlich waren die Angststörungen schon vorher die häufigste psychische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter, aber auch im Erwachsenenalter.

Axel Enninger: Über welche Zahlen reden wir da so?

Julia Asbrand: Bei Kindern von 10 % und wir sind jetzt so bei irgendetwas zwischen 12 und 15 %. Man muss dazu sagen, das kommt dann immer auf die Art der Studie an. Es war erst mal eine Zeitlang noch schlimmer und hat sich dann wieder ein bisschen zurückgefahren, aber auf einem höheren Niveau eingependelt. Man muss aber auch sagen, dass dieser Anstieg der psychischen Erkrankungen insgesamt, auch der Angststörungen, in den letzten 20 Jahren zugenommen hat. Also alle Studien berichten eigentlich durch die Bank von einem Anstieg an psychischen Erkrankungen vor allem bei jungen Menschen, also bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Wir haben jetzt über die COVID-19-Pandemie gesprochen, die hat noch mal so einen Push nach oben gebracht. Es ist jetzt auch nicht so, dass es nur einen Faktor gab, der diesen Anstieg erklärt. Zum einen gehört es vielleicht auch einfach zu einer besseren Sensibilität gegenüber psychischen Erkrankungen. Aber das andere ist sicherlich auch, dass wir einfach in den letzten 15, 20 Jahren mit vielen globalen Themen konfrontiert waren, die neu sind. Sei es jetzt so etwas wie Social Media, die auch gerne angeführt werden. Einfach auch einen Umgang damit zu finden. Wir haben eine immer stärkere Globalisierung. Was viele Jugendliche und junge Menschen als sehr herausfordernd erleben, ist dieses „Mir stehen alle Türen offen, in alle Welt, ich kann überall hingehen, ich kann überall Informationen herbekommen.“ Und dann kommen wir halt wieder zu dieser Unsicherheitstoleranz und Kontrolle, und das führt natürlich auch zu Schwierigkeiten, damit umzugehen.

Axel Enninger: Das ist so ein bisschen der Klassiker „Babyboomer versus Generation Z“. Bei den Babyboomern gab es nicht viele Optionen. Machen, tun, eingleisig fahren. Und jetzt diese Multioptionalität, in der Tat, da kann ich mir schon gut vorstellen, dass das zu einer gewissen Überforderung führt. Führt ehrlich gesagt bei mir auch manchmal zur Überforderung, wenn ich in irgendwelchen Restaurants stehe und multioptional mir irgendetwas auswählen soll und ich denke, mach mir doch einfach irgendein Sandwich, statt mich zu fragen, welche Zutaten ich da haben will.

Heute ein offenerer Umgang mit psychischer Gesundheit

Julia Asbrand: Genau. Und schlussendlich muss man aber auch da sagen, weil ich oft auch nach dieser Generationengeschichte gefragt werde: Wir haben halt keine Daten aus der Boomer-Generation, sodass wir das wirklich irgendwie gut vergleichen könnten. Es ist halt eine Theorie, die, glaube ich, auch erst mal so ganz schlüssig erscheint. Was ich aber immer wichtig finde dagegenzuhalten: Ich finde es toll, wie offen Kinder und Jugendliche oder auch junge Erwachsene heute mit psychischen Erkrankungen, mit psychischer Gesundheit umgehen. Stigma ist immer noch ein großes Thema. Aber wir haben einfach auch eine viel höhere Offenheit, und das ist ja wiederum etwas, wo man sagen würde, bei Menschen, die in den Fünfzigern, Sechzigern geboren wurden: Das Thema „gab es nicht“. Nicht, weil es nicht existierte, sondern weil nicht darüber gesprochen wurde.

Axel Enninger: Absolut. Ja, das war in unserer Generation sicher ein großes No-Go. Corona oder COVID hatten wir vorhin schon erwähnt. Was ich letztens gelesen habe, wo ich auch dachte: ‚Wow, das ist ja auch irgendwie erschütternd.‘ Stichworte „Planetary Health“, „Klimaerwärmung“. Was können wir tun, um unseren Planeten zu retten? Dass die Rate der Angststörungen in Ländern, die unmittelbar vom Klimawandel betroffen sind, ansteigt, das finde ich ja tatsächlich spannend. Also dort, wo die Leute merken, dass der Meeresspiegel steigt und dass die Länder kleiner werden, steigen auch die Angststörungen. Ist das etwas, was Sie auch mitkriegen oder was Sie sozusagen auch wissenschaftlich lesen oder begleiten?

Julia Asbrand: Genau, wir forschen auch dazu, wobei es bei uns immer mehr auch darum geht, was für eine Art von Stress der Klimawandel oder eine globale Krise eigentlich produziert. Ich komme aus der sozialen Stressforschung, und das ist, glaube ich, etwas, was wir alle kennen: Einen Vortrag vor anderen halten oder neue Leute kennenlernen ist wahnsinnig stressig. Aber warum macht mir eigentlich so etwas Globales, was vielleicht auch erst einmal weit weg ist – nicht unbedingt in Ländern, die von akuten Krisen bedroht sind – so viel Angst? Generell muss man ja erst einmal sagen, Angst ist total sinnvoll, wenn das eigene Leben oder auch die Zukunft bedroht ist. Das ist natürlich ein Punkt, der für viele junge Menschen zutrifft, dass sie wahrnehmen, dass ihre Zukunft bedroht ist. In welchem Ausmaß, darüber kann man streiten. Das wird dann oft auch heruntergeredet. Ich glaube, das ist auch so eine gewisse Abwehrstrategie, um nicht damit umgehen zu müssen. Aber wir wissen einfach relativ klar, auch aus dem IPCC-Report, dass es eine ganz große Bedrohung der Welt und der Zukunft gibt. Das ist natürlich etwas, was junge Menschen auch wissen und in bestimmten Ländern noch viel mehr erleben. Es gab eine große Studie, die 10.000 junge Menschen befragt hat, also Jugendliche und junge Erwachsene im globalen Süden und auch im globalen Norden. Da haben Dreiviertel von Sorgen rund um den Klimawandel berichtet und fast die Hälfte hat auch von Beeinträchtigungen wegen dieser Sorgen berichtet. Das ist ja das entscheidende Kriterium schlussendlich. Da sind wir aber auch auf einem schmalen Grat, weil, wie gesagt, diese Angst ja sinnvoll ist. Sie ist nicht pathologisch, wenn ich weiß, da ist eine echte Bedrohung. Also bei uns, ich glaube, wir würden auch nicht darüber diskutieren, dass es sinnvoll ist, ein bisschen Angst zu haben, bevor man über die Straße geht und nicht einfach draufzurennen, weil da ja eine echte Gefahr ist. Dementsprechend geht es hier eigentlich darum, immer wieder auch zu schauen, dass man diese Ängste nicht klein redet, sondern sagt: ‚Ja, die sind echt.‘ Und gleichzeitig aber zu gucken, wie wir so eine Unterstützung hinkriegen, dass man sagt: ‚Es ist sinnvoll, diese Angst zu haben. Ich möchte dich aber unterstützen, dass du dadurch nicht beeinträchtigt wirst und trotzdem noch aktiv bleiben kannst, um zum Beispiel auch etwas dagegen zu tun, um dich zu engagieren.‘ Und das ist halt so eine Gratwanderung, wo es auch viele Diskussionen gibt: Ab wann sprechen wir denn von pathologischen Ängsten in diesem Zusammenhang? Und wann ist es einfach auch so, dass wir sagen, es ist total sinnvoll, dass du Angst hast, weil du dann aktiv wirst?

Grundsätze der Therapie

Axel Enninger: Jetzt haben Sie gerade schon „Unterstützung“ gesagt. Wenn man Unterstützung sozusagen ausweitet, würde man „Therapie“ sagen. Jetzt haben Sie gesagt, die Rate ist hoch, 10 %, 12 %. Jetzt können wir nicht 12 % aller Kinder und Jugendlichen Psychotherapie anbieten. Wer braucht denn Therapie und wie macht man das? Wie geht man denn ran an dieses Thema?

Julia Asbrand: Also erst mal muss man auch ganz klar sagen, es bekommen gar nicht alle eine Richtlinien-Psychotherapie. Je nach Studie sind es so 10 %, das heißt, viele sind eigentlich doch erst einmal gezwungen, mit der Angst zu leben. Mit bestimmten Ängsten kann man auch leben, also sagen wir mal zum Beispiel, Sie haben eine Flugphobie und sagen: ‚Ja, ich muss eh nicht irgendwo in den Urlaub fliegen. Es ist total okay, wenn ich mit dem Zug an die Ostsee fahre.‘ Also ist es dann schlussendlich auch die Frage der Beeinträchtigung. Grundsätzlich ist es schon so, dass es sinnvoll ist, über die Behandlung mehr nachzudenken, weil wir zum einen recht geringe natürliche Remission haben. Gerade so etwas wie spezifische Phobien sind extrem persistent, die bleiben einfach da.

Angst als Vorläufer: Aufklärung und gezielte Prävention

Axel Enninger: Also Spinnenphobie bleibt. Bei Spinnenphobie kann ich nicht sagen, es ist egal. Es ist in 3 Jahren vorbei.

Julia Asbrand: Nee, genau. Es gibt eine gewisse natürliche Remission, aber da ist halt wieder auch die Frage. Wenn ich jemanden habe, der sagt ‚Ja Mensch, ich muss aber irgendwie viel draußen sein‘ und so weiter oder kann ich mich damit irgendwie arrangieren? Dann würde man natürlich auch darüber diskutieren, ob das jetzt eine Diagnose ist oder nicht. Ein Problem, was ich aber eher noch mehr hervorheben würde, ist, dass Angststörungen oft auch ein Vorläufer für andere psychische Erkrankungen sind. Ein Klassiker ist, dass sich aus einer Angststörung zum Beispiel dadurch, dass ich immer weniger tue, mich sehr stark zurückziehe, eine Depression entwickelt. Oder dass ich anfange, meine Angst selbst zu medizieren mit Alkohol oder anderen Drogen und dann in eine Suchterkrankung rutsche. Dementsprechend würde ich insofern zustimmen, dass ich sage: ‚Ja, es ist schwierig, alle zu versorgen.‘ Ich glaube, wir brauchen einfach mehr Prävention, auch mehr indizierte Prävention. Wir wissen zum Beispiel, Menschen oder Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen haben selbst ein höheres Risiko. Da könnte man zum Beispiel stärker noch mal mit einer indizierten Prävention rangehen. Ich mache zum Beispiel Aufklärungsarbeit in Schulen, da kann man natürlich auch schon viel unterstützen im Unterricht, bevor so eine Angststörung komplett ausgeprägt ist.

Axel Enninger: Also, wie muss ich mir das vorstellen, wenn Sie in die Schule gehen? Wie können Sie präventiv in der Schule tätig werden, um die Entwicklung von Angststörungen zu reduzieren? Das finde ich jetzt spannend.

Julia Asbrand: Da geht es zum einen erst mal um Aufklärung. Das, was man natürlicherweise macht, wenn jemand sagt: ‚Ich habe Angst‘, ist, dass man die Person erst einmal entlastet. Also das heißt, wenn da ein Kind sagt: ‚Oh nee, ich will keinen Vortrag halten für die Note in Deutsch, weil ich davor Angst hab‘, dann findet man es ja total nett, wenn der Lehrer oder die Lehrerin sagt: ‚Ah ja, dann reichst du etwas schriftlich ein, ist okay.‘ Kann ich auch gut nachvollziehen. Das Problem ist aber, dass man dadurch immer wieder so Schlupflöcher schafft und in die Vermeidung rutscht. Das heißt, man macht es einfach nicht, man stellt sich der Angst nicht. Und da kommen wir ja gleich auch noch dazu, was man tun kann. Schlussendlich ist es so, wenn Lehrkräfte dann einfach wissen, die Angst ernst zu nehmen, also auch nicht zu sagen: ‚Stell dich nicht so an, mach einfach‘, sondern zu sagen: ‚Ich verstehe, dass du Angst hast. Lass uns mal überlegen, wie wir das so hinkriegen, dass du es trotzdem machst und ich dich auf dem Weg dahin vielleicht auch unterstütze.‘ Und dann hält man vielleicht das Referat nicht vor der ganzen Klasse, sondern nur vor 5 Kindern. Aber man hat es halt nicht vermieden, die Situation an sich. Und das ist, glaube ich, etwas, wo natürlich auch Lehrkräfte Kapazität brauchen. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt. Sie brauchen Kapazität, sich damit zu beschäftigen und sich dann auch solche Sachen zu überlegen. Aber da gibt es einfach auch ein Potenzial, dass man Schulen besser unterstützt, mit solchen Problemen umzugehen.

An erster Stelle kognitive Verhaltenstherapie

Axel Enninger: Jetzt haben Sie schon so eine kleine Tür geöffnet zum Thema Therapie. Diejenigen, die therapiert werden, werden wie therapiert? Verhaltenstherapeutisch, tiefenpsychologisch fundiert, medikamentös, alles miteinander, keine von den möglichen Optionen? Wie tun Sie es oder was sagt die Wissenschaft, was am günstigsten ist?

Julia Asbrand: Genau, also erstmal nach Leitlinien ist die kognitive Verhaltenstherapie das Verfahren der ersten Wahl. Bei schweren Fällen auch in der Kombination mit Psychopharmaka, bei Kindern aber eigentlich immer wirklich erstmal die Psychotherapie, weil wir zum Beispiel keine zugelassenen Anxiolytika haben. Ich sehe die auch selber ein bisschen skeptisch, weil dann oft eine Attribution stattfindet. Wenn man ein Anxiolytikum nimmt und in eine angstbesetzte Situation geht, sagt man sich hinterher natürlich: ‚Das habe ich ja nur deshalb geschafft, weil ich ein Medikament genommen habe.‘ Das heißt, dieser Lerneffekt findet eigentlich nicht statt.

Die kognitive Verhaltenstherapie, die die erste Methode der Wahl wäre, basiert hauptsächlich auf der Exposition oder der Konfrontation mit dem angstbesetzten Stimulus. Das ist eine der am besten untersuchten Methoden der Psychotherapie, und da gibt es einen gewissen Vorlauf. Zum einen muss man ja erstmal wissen, ist es wirklich eine Angststörung, mit der ich zu tun habe, oder treten Ängste im Rahmen einer Essstörung oder einer Depression auf, also eine klare Diagnose haben. Dann geht es darum, überhaupt erstmal das Kind ins Boot zu holen. Wenn ich dem einfach sage: ‚Du, wir machen das jetzt übrigens, das, wovor du Angst hast‘, dann sagt es: ‚Nee!‘ Das heißt, erstmal klarzumachen, warum es denn sinnvoll ist, jetzt diesen Weg zu gehen, so dass das Kind ein Experte für sich selbst und für seine Ängste wird, dass es sich auch klar macht: Warum habe ich denn Angst? Warum ist Angst sinnvoll? Die kommen dann oft auch mit der Idee: ‚Ich will vor nichts mehr Angst haben‘, weil sich das natürlich auch unangenehm anfühlt. Und da zu sagen: ‚Du, ich helfe dir, dass deine Ängste weniger werden, dass du damit besser umgehen kannst. Aber Angst an sich ist erstmal sinnvoll.‘

Dann geht es darum, an Gedanken zu arbeiten, also sich zum Beispiel auch zu überlegen, welche Gedanken sind denn hilfreich in einer angstbesetzten Situation. Da habe ich ein Beispiel, das so auch in verschiedenen Therapiemanualen zu finden ist. Man kann sich vorstellen, zwei Kinder schlafen nachts im Bett und werden dadurch wach, dass es etwas ans Fenster klopft. Das eine Kind denkt vielleicht: ‚Oh Gott, da draußen ist ein Einbrecher, der versucht gerade ins Fenster reinzukommen. Was mache ich denn jetzt?‘ Und das andere Kind denkt sich: ‚Ah, Papa hat schon wieder den Baum nicht geschnitten und durch den Wind klatscht da immer wieder der Zweig ans Fenster.‘ Dann kann man fragen: Welches Kind hat mehr Angst und welches Kind macht jetzt eigentlich was? Dann wird klar, dieser Gedanke ist ein Auslöser dafür, was ich hinterher tue. Das erste Kind geht dann vielleicht zu den Eltern, das kann auf keinen Fall mehr schlafen, weil es sich ja Sorgen macht, dass da ein Einbrecher hereinkommt. Und das zweite Kind, das ist vielleicht einfach genervt, dreht sich um oder versucht irgendwie, diesen Zweig noch wegzumachen. Das heißt, es geht ganz anders mit der Situation um und das ist dann schlussendlich auch die Logik dafür, sich mit der Angst zu konfrontieren, also nachzugucken, ob die Angst denn wirklich so bleibt oder ob die nicht auch reduziert werden kann. Dann versuchen wir schrittweise die Situationen aufzusuchen, die Angst machen, um etwas Neues zu lernen, um dann zum Beispiel auch festzustellen: ‚Hey, ich kann einen Vortrag halten und die lachen mich gar nicht alle aus, sondern ich habe das irgendwie einigermaßen gut hingekriegt.‘ Und hinterher dann natürlich auch wieder zu überlegen: Ich muss nicht alles perfekt machen, ich muss auch Situationen nicht perfekt lösen, sondern ich kann mich dafür loben, was ich an der Stelle schon geschafft hab. Das ist tatsächlich etwas – ich habe viele Angsttherapien natürlich auch schon selber durchgeführt – wo ich auch immer wieder erstaunt davon bin, wie gut das funktioniert und wie sehr die Kinder das auch selber als Motivation erleben, wenn sie selber merken, was sie alles eigentlich schon schaffen. Gerade in der Gruppe, das funktioniert ganz hervorragend.

Die Konfrontation mit der Angst hilft, Ursachen sind sekundär

Axel Enninger: Das heißt, Sie haben ganz klar gesagt, Angststörungen sind die Domäne der kognitiven Verhaltenstherapie. Da könnte man ja dagegen halten, oder sagen wir mal so, landläufig würde man lesen: ‚Na ja, dann verliert er seine Angst vor A und verschiebt seine Angst nur Richtung B. Da muss doch irgendetwas zugrunde liegen und dem muss man doch mal auf den Grund gehen.‘ Was antworten Sie da aus Ihrer Profession stammend?

Julia Asbrand: Genau, also zum einen bin ich Verhaltenstherapeutin, aber auch systemische Therapeutin. Und ich glaube, zum einen erstmal, dass ganz viele der KollegInnen realistischerweise mit verschiedenen Verfahren arbeiten. Das heißt, ich würde erstmal sagen, ja, die kognitive Verhaltenstherapie ist das erste Verfahren der Wahl. Aber die Frage ist natürlich auch, was würde man denn jetzt beim Analytiker oder tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeuten tatsächlich anders machen? Schlussendlich, gerade für die systemische Therapie kann ich das sagen, geht es immer wieder auch darum, gerade in die angstbesetzten Situationen zu gehen, aber aus einer durchaus anderen Logik heraus.

Schlussendlich, was ich immer wichtig finde, ist: Wir haben in bestimmten Bereichen eine Symptomverschiebung, die gibt es immer wieder, bei Angststörungen aber gar nicht so massiv. Und ich glaube, das liegt auch daran, weil man eine Selbstwirksamkeitserfahrung oder Selbstwirksamkeitserwartung aufbaut, wenn man sich immer wieder mit der Situation konfrontiert und dann auch merkt: Ich kann das. Ich habe gerade diese Woche erst wieder ein Gespräch mit einer Patientin geführt, die der Meinung war, sie muss nur „die echten Ursachen“ ihrer Probleme erkennen und dann wird das alles gar kein Problem mehr sein. Tatsächlich sind die „echten Ursachen“ oft gar nicht so genau ergründbar. Wir haben dafür zwar Modelle, aber individuell kriegt man es gar nicht richtig „auseinanderklamüsert“, was jetzt Genetik ist, was eine Lernerfahrung ist, wo meine Eltern in Anführungszeichen „etwas falsch gemacht haben“, wo es einfach daran lag, dass die Schule doof war oder ich blöde Erfahrungen gemacht habe. Das heißt, wir haben immer so ein Zusammenspiel aus psychischen, biologischen und sozialen Faktoren.

Ich habe auch gesagt, wir forschen viel zu aufrechterhaltenden Faktoren, also zu dieser Frage: Warum geht denn das Problem nicht wieder weg? Und das ist dann schon auch etwas, wo wir ansetzen können und wo es dann zum Beispiel darum geht, das Vermeidungsverhalten aufzulösen und eben zu sagen, das Vermeidungsverhalten, also dass ich nicht in die Situation reingehe, ist schlussendlich das, was die Störung aufrechterhält. Daran setzen wir natürlich mit der kognitiven Verhaltenstherapie an.

Man muss aber auch realistischerweise sagen, es treten ja oft auch mehrere Probleme gleichzeitig auf, also zum Beispiel die Angststörung und die Depression. Und da hat man natürlich automatisch auch eine Mischung von Methoden. Also man behandelt dann erstmal zum Beispiel die Angststörung, danach die Depression und würde aber bei einer Depression zum Beispiel viel mehr auf interpersonelle Kompetenzen schauen, sich systemisch orientieren oder auch an Verfahren der Dritten Welle, also interpersonelle Psychotherapie zum Beispiel. Und sich dabei einfach immer klar machen: An welchem Thema arbeite ich gerade, was ist da für ein Mechanismus, der dahinter stehen könnte und wie kann ich dem Patienten oder der Patientin helfen, anders damit umzugehen?

Was natürlich stimmt, und das liegt halt einfach schlicht an meiner VT- und systemischen Perspektive: Ich gucke eher in die Zukunft, ich gucke eher dahin, wie kriegen wir denn dieses Problem los, wie bauen wir ein Lösungsverhalten auf. Ich fände es tatsächlich interessant, wenn Sie dasselbe Gespräch irgendwann mit einer tiefenpsychologisch fundierten Kollegin oder so führen würden. Dann komme ich vielleicht noch zu ganz anderen Erkenntnissen.

Axel Enninger: Okay, auch ein guter Impuls für eine weitere Podcast-Folge. Sehr schön. Kommen wir zu den psychotherapeutischen Laien: Eltern und Pädiater. Was können denn aus Ihrer Sicht unterstützende Verhaltensweisen sein, die, sagen wir mal, wir als Kinder- und JugendärztInnen an den Tag legen könnten? Wo würden Sie denn sagen, das wäre etwas, daran könnt ihr gut arbeiten und das empfehle ich euch dringend zu tun?

Julia Asbrand: Also ich glaube zum einen, das ist erstmal so: Man tendiert zu so einem starken Entweder-Oder: Entweder man betüttelt das Kind oder man sagt: ‚Stell dich nicht so an.‘ Der Weg dazwischen wäre erstmal hilfreich. Also zu sagen: ‚Ich nehme deine Ängste ernst. Ich kann auch nachvollziehen, dass das gerade schwierig für dich ist, aber trotzdem will ich mit dir dranbleiben an diesem Thema.‘ Ein Punkt ist da oft auch, eben weniger von „Angst“ zu sprechen als von „Schwierigkeit“, weil Ängste immer noch als Schwäche gelten. Und da dann eher zu fragen: ‚Was ist denn jetzt genau schwierig? Was erwartest du, was da passieren würde? Gibt es vielleicht einen anderen Gedanken, der dir helfen könnte in dieser Situation?‘

Und bleiben wir nochmal kurz bei dem Vortrag. Da gibt es dann zum Beispiel Kinder, die sagen: ‚Ich habe Angst davor, dass mich alle auslachen.‘ Und da ist es erstmal sinnvoll zu fragen: ‚Alle, wirklich alle?‘ ‚Ja, okay, zwei oder drei.‘ ‚Okay, wer ist denn das?‘ Und dann: ‚Ja, die lachen eh bei allen.‘ Das liegt dann in der Natur der Sache. Dann kann man auch nachfragen: ‚Hast du vielleicht schon mal bei irgendjemandem gelacht? Hast du das dann böse gemeint?‘ Also so ein bisschen auch ins Diskutieren zu kommen: Wie realistisch ist denn eigentlich diese Angst?

Gerade für jüngere Kinder gibt es auch wirklich schöne Kinderbücher, die das Thema aufgreifen, auf eine sehr kindgerechte Art und Weise, die zum Beispiel auch klarmachen: Je weniger ich mich mit meiner Angst beschäftige, desto größer wird sie. Also das grundsätzlich ernst zu nehmen, aber gleichzeitig auch Forderungen zu stellen, sich damit auseinanderzusetzen und vielleicht immer wieder auch sich zu überlegen: Welche kleinen Schritte kann ich denn in die Richtung gehen, sodass es, wie gesagt, zum Beispiel noch nicht der Vortrag vor der ganzen Klasse sein muss, aber dass ich mich überhaupt in diese Richtung schlussendlich bewege?

Der Weg der Mitte – das können Eltern tun

Axel Enninger: Eltern: Ratschläge sind immer so ein bisschen blöd, klingt so plakativ, aber trotzdem: Verhaltensweisen, wo Sie sagen würden, das wäre hilfreich, wenn Eltern sich so verhalten würden?

Julia Asbrand: An vielen Stellen würde ich Eltern eigentlich eher Mut machen, dass sie sich nicht zu arg irritieren lassen sollten von dem, was immer wieder über gute Erziehung gesagt wird, sondern für sich einen guten Mittelweg zu finden, auf sich selbst zu achten, auf ihr Kind zu achten, auf die Bedürfnisse des Kindes und gleichzeitig auch auf die eigenen Bedürfnisse. Zu gucken, dass ich immer die Perspektive habe: Mein Kind will groß werden, mein Kind will eigenständig werden. Wie kann ich mein Kind auf diesem Weg begleiten und wo kann ich auch Forderungen stellen, dass es auf diesem Weg gut begleitet wird? Zum Beispiel, indem das Kind gewisse Dinge alleine tut, irgendwann alleine in die Schule zu laufen, wenn ich den Schulweg gut besprochen habe. Wenn das Kind Gefühle äußert, diese Gefühle ernst zu nehmen und mit dem Kind zu besprechen, ohne sie „zu groß“ zu machen. Eltern sollen helfen, Gefühle zu regulieren, und dazu gehört auch zu zeigen, wie kann ich mit einem Gefühl umgehen und wie kann ich mich diesem Gefühl auch stellen.

Axel Enninger: Okay, ja, sehr schön. Das finde ich war fast schon ein schönes Schlusswort. Sie haben vielleicht schon gehört, dass ein typisches Element in diesem Podcast unsere Dos und Don ‚ts sind. Das heißt, Sie dürfen gerne Dinge loswerden, von denen Sie dringend abraten oder auch Dinge positiv weitergeben, wo Sie sagen würden: ‚Bitte, das wär toll.‘ Die Reihenfolge ist egal, Sie müssen auch keine Don‘ ts sagen, Sie dürfen auch lauter Dos sagen, wie Sie es gerne hätten.

Vermeidung nicht unterstützen, nicht bagatellisieren, Ängste ernstnehmen, unter die Lupe nehmen, überlegen was hilft

Julia Asbrand: Das ist ein interessanter Punkt. Dann fange ich vielleicht einfach mit den Don‘ ts an, damit wirklich die Dos am Ende hängenbleiben. Ich glaube, ein Don‘ t ist, die Vermeidung zu unterstützen, also dem Kind alles abzunehmen. Genauso, und das war das andere Extrem, die Ängste zu bagatellisieren oder herunterzuspielen, dieses „Stell dich nicht so an“. Was pädiatrisch nicht furchtbar sinnvoll ist, wir haben jetzt nicht weiter darüber gesprochen, aber es unterstützt die Vermeidung, sind Krankschreibungen. Es ist einfach etwas, das nicht in das Konzept passt, sich Herausforderungen zu stellen. Und jetzt zu den Dos, die für Pädiater, aber auch für Eltern relevant sind: Die Ängste ernstnehmen, sich interessieren, nachfragen. Auch akzeptieren, dass Kinder da sehr unterschiedlich sind. Wenn man zum Beispiel mehrere Geschwisterkinder vor sich hat, dann Ängste normalisieren, weil jeder Angst hat. Man kann sich die Katze angucken und fragen, woran man sieht, dass sie Angst hat. Papa hat Angst, Superman hat Angst und alle möglichen anderen Helden auch. Die Ängste gemeinsam unter die Lupe nehmen, eventuell auch mit Büchern schauen, was im Körper passiert, wofür Angst gut sein kann und welche Schritte man unternehmen kann, um nicht die Angst loszuwerden, aber besser damit umgehen zu lernen.

Axel Enninger: Ja, wunderbar. Vielen herzlichen Dank für dieses wirklich spannende und aufschlussreiche Gespräch. Und Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, vielen Dank fürs Zuhören. Wir freuen uns wie immer über Rückmeldungen. Wir freuen uns natürlich über die üblichen Likes auf den Plattformen, freuen uns über Kommentare, auch über Hinweise für andere Themen oder neue Gesprächspartnerinnen. Und wie immer: Bleiben Sie uns gewogen!

Hilfreiche Informationen:

Wissenschaft aktuell:

Für Kinder- und Jugendärzte:

Studie, die sich an Kinder- und Jugendmediziner richtet: https://www.soscisurvey.de/KLIMA_Kinder/

Mehr Info: https://www.fsv.uni-jena.de/25366/aktuelle-forschungsprojekte)

Für Eltern und Kinder mit Interesse an einer Studienteilnahme:

Informationen zu Forschungsprojekten, bei denen aktuell Studienteilnehmende gesucht werden: https://www.fsv.uni-jena.de/51876/informationen-fuer-teilnehmende

Quellen:

Wissenschaftliche Literatur:

In-Albon T (2011) Kinder und Jugendliche mit Angststörungen: Erscheinungsbilder, Diagnostik, Behandlung, Prävention. Kohlhammer Verlag.

Higa-McMillan CK, Francis SE, Rith-Najarian et al. (2016) Evidence base update: 50 years of research on treatment for child and adolescent anxiety. Journal of Clinical Child & Adolescent Psychology 45(2) 91–113.

Asbrand J (2024) Keine Angst vor der Angst – Strategien zum Umgang mit Angststörungen. Sozialpädiatrischer Nachmittag, Kongressbericht 50. und 51. consilium live 2024. InfectoPharm Consilium & Arzneimittel GmbH. ISSN 2699-7215. S. 5–10.

Asbrand J & Schmitz J (2023) Lehrbuch Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie Kohlhammer Standards Psychologie. 626 Seiten.

Schmitz J & Asbrand J (2020) Soziale Angststörung im Kindes- und Jugendalter (Klinische Psychologie und Psychotherapie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen: Verhaltenstherapeutische Interventionsansätze). Kohlhammer. 227 Seiten.

McGorry PD, Mei C, Dalal N et al. (2024) The Lancet Psychiatry Commission on youth mental health. The Lancet Psychiatry 11(9) 731–774.

Für medizinisches und pädagogisches Fachpersonal:

Asbrand J, Büch H, Schmitz J (2022) Soziale Ängste (Psychologie im Schulalltag). Hogrefe Verlag. 133 Seiten, ISBN 13: 978-3801730581.

 

Für Kinder / Jugendliche:

Boie K (2012) Kirsten Boie erzählt vom Angsthaben. Taschenbuch mit Bildern von Erhard Dietl. Für Kinder von 7–9 Jahre. Oetinger. 64 Seiten, ISBN 13: 978-3-8415-0118-9.

Bohdal S (2021) Selina, Pumpernickel und die Katze Flora. Für Kinder von 3–6 Jahren. Carl-Auer Verlag. 30 Seiten, ISBN 13: 978-3849700300.

Meyer-Glitza E (2011) Jacob der Angstbändiger: Geschichten gegen Kinderängste. Für Kinder von 5–10 Jahren. Iskopress. 96 Seiten. ISBN 13: 978-3894031978.

Schneider S & Borer S (2006) Nur keine Panik! Was Kids über Angst wissen sollten. Für Kinder ab 8 Jahren. S. Karger. 28 Seiten, ISBN 13: 978-3805582094.

Instagram für Jugendliche: https://www.instagram.com/psycho.logisch.unterwegs/

Für Eltern:

Schmidt-Traub S (2015) Selbsthilfe bei Angst im Kindes- und Jugendalter: Ein Ratgeber für Kinder, Jugendliche, Eltern und Erzieher. Hogrefe Verlag. 170 Seiten, ISBN 13: 978-3801726430.

Filme & Videos:

„Alles steht Kopf“ (2015) Oscarprämierten Pixar-Spielfilm (bester animierter Spielfilm (2016).  Riley Andersen lernt ab ihrer Geburt nach und nach alle Emotionen kennen und „Erinnerungskugeln“ rollen in seine „Emotionszentrale“. 94 min. Computeranimationsfilm.

„Piper“ (2016) Oscarprämierten Pixar-Kurzfilm über einen kleinen Vogel, der am Strand seine Angst vor den großen Wellen überwindet. 6 min. Animationsfilm.

„Eighth Grade“ (2018) Amerikanisches Independent-Komödiendrama über eine mit sozialen Phobien kämpfende Achtklässlerin vor dem Wechsel an die High School. 94 min.

„Elling“ (2001) Norwegischer Spielfilm. Elling und Kjell Barne lernen sich in einer psychiatrischen Anstalt kennen und werden Freunde. 85 min.

Kontakte:

Feedback zum Podcast? podcast@infectopharm.com

Homepage zum Podcast: www.infectopharm.de/consilium/podcast/

Für Fachkreise: www.wissenwirkt.com und App „Wissen wirkt.“ für Android und iOS

Homepage InfectoPharm: www.infectopharm.de

Disclaimer:

Der consilium – Pädiatrie-Podcast dient der neutralen medizinischen Information und Fortbildung für Ärzte. Für die Inhalte sind der Moderator und die Gäste verantwortlich, sie unterliegen dem wissenschaftlichen Wandel des Faches. Änderungen sind vorbehalten.

Impressum:

consilium ist eine Marke von

InfectoPharm Arzneimittel und Consilium GmbH

Von-Humboldt-Str. 1

64646 Heppenheim

Tel.: 06252 957000

Fax: 06252 958844

E-Mail: kontakt@infectopharm.com

Geschäftsführer: Philipp Zöller (Vors.), Michael Gilster, Dr. Markus Rudolph, Dr. Aldo Ammendola

Registergericht: Darmstadt – HRB 24623

USt.-IdNr.: DE 172949642

Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Markus Rudolph

Sprecherin: Das war consilium, der Pädiatrie-Podcast. Vielen Dank, dass Sie reingehört haben. Wir hoffen, es hat Ihnen gefallen und dass Sie das nächste Mal wieder dabei sind. Bitte bewerten Sie diesen Podcast und vor allem empfehlen Sie ihn Ihren Kollegen. Schreiben Sie uns gerne bei Anmerkung und Rückmeldung an die E-Mail-Adresse consilium@infectopharm.com. Die E-Mail-Adresse finden Sie auch noch in den Shownotes. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge!

Ihr Team von InfectoPharm

Dieser Service steht Ihnen nicht zur Verfügung.

Bitte wenden Sie sich mit Ihrem Anliegen an austria.kontakt@infectopharm.com

Dieser Service steht Ihnen nicht zur Verfügung.

Bitte wenden Sie sich mit Ihrem Anliegen an kontakt@infectopharm.com

Willkommen bei InfectoPharm Deutschland.

Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass die Inhalte dieser Website speziell auf Deutschland ausgerichtet sind. Es gibt länderspezifische Unterschiede, so dass z.B. Preise abweichen oder Präparate, die Sie auf dieser Website finden, in Ihrem Land nicht oder unter anderen Namen verfügbar sein können.

Datenschutzbestimmungen

Wir haben unsere Datenschutzbestimmungen aktualisiert.

Damit Ihr Nutzer-Account weiterhin aktiv bleibt, benötigen wir einmalig Ihre Zustimmung zu den neuen Bestimmungen.