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consilium - DER PÄDIATRIE-PODCAST - Folge #59 - 30.05.2025

 

consilium – der Pädiatrie-Podcast

mit Dr. Axel Enninger

consilium Podcast mit Dr. Axel Enninger

 

Jungs sind keine Mädchen – Plädoyer für die „Jungenmedizin“

Axel Enninger: Mein Gast heute ist

Dr. Esther Maria Nitsche

 


DR. AXEL ENNINGER…

… ist Kinder- und Jugendarzt aus Überzeugung und mit Leib und Seele. Er ist ärztlicher Direktor der Allgemeinen und Speziellen Pädiatrie am Klinikum Stuttgart, besser bekannt als das Olgahospital – in Stuttgart „das Olgäle“ genannt.Kardiologie in der pädiatrischen Praxis

Axel Enninger: Herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer neuen Folge von consilium, dem Pädiatrie-Podcast. Meine Gesprächspartnerin ist heute Frau Dr. Esther Maria Nitsche. Sie ist Kinder- und Jugendärztin. Sie hat zwei Schwerpunkte. Sie ist einerseits Neonatologin. Sie ist aber auch Kinder-Endokrinologin und -Diabetologin. Und vor allem wegen der letztgenannten Schwerpunktsbezeichnung haben wir sie heute zu einem Gespräch eingeladen. Wir reden nämlich heute über ein Thema, das vielleicht der eine oder andere erst einmal komisch findet. Unser Stichwort heißt „Jungenmedizin“. Herzlich willkommen, liebe Frau Nitsche.

 

Unterversorgte Patientengruppe – mehr Augenmerk auf Jungs

Esther Maria Nitsche: Ganz herzlichen Dank für die Einladung. Danke, dass ich hier sein darf und ganz herzlichen Dank auch, dass Sie sich dieses Themas annehmen, was ich ganz besonders finde.

Axel Enninger: Das Thema finden Sie besonders und das fanden wir eben auch so besonders und haben gedacht, da müssen wir vielleicht mal drüber reden. Warum ist denn das Thema besonders und warum liegt es Ihnen denn so am Herzen?

Esther Maria Nitsche: Es ist besonders insofern, als es in diesem großen Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin bisher eine ganz untergeordnete Rolle spielt. Selbst in der Jugendmedizin, wenn wir nur den Aspekt rausnehmen, ist immer noch die Jungenmedizin, das heißt das Sichkümmern um den männlichen Anteil, der ja 50 % unserer Klientel ausmacht, so untergeordnet, dass es mir leid tut und dass ich sehr, sehr froh bin, wenn sich Leute darum kümmern. Wir vermissen sowohl national als auch international Expertise auf diesem Gebiet. Einzelne Kollegen haben sich da schon super hervorgetan. Das ist Herr Stier [Anm. d. Red.: Dr. Bernhard Stier] bei uns Kinder- und Jugendärzten, das sind Herr Stehr [Anm. d. Red.: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Maximilian Stehr] und Herr Bühmann [Anm. d. Red.: Dr. Wolfgang Bühmann], die Urologen. Herrn Bühmann verdanken wir, dass wir die Jungs HPV-impfen dürfen, mittlerweile. Aber die Studienlage ist ganz dünn und gerade im deutschsprachigen Raum habe ich nichts. Von einer Leitlinie können wir überhaupt nicht reden. Und deshalb: Danke, dass Sie sich dieses Themas annehmen und dass Sie dieses Thema tatsächlich damit in die Patientenversorgung hineintragen.

Axel Enninger: Wie kamen Sie denn zu dem Thema?

Esther Maria Nitsche: Zur Jungenmedizin? Tatsächlich im Rahmen der Niederlassung, weil plötzlich der Bedarf da war, weil ich den Bedarf gesehen habe. Mit der Endokrinologie bin ich ja schon lange befasst und das überlappt sich, wie Sie eingangs ja auch netterweise eben gesagt haben. Es überlappt sich sehr stark, weil viele Störungen, die wir behandeln, tatsächlich mit Hormonen zu tun haben, aber lange nicht alle. Das heißt, in der Niederlassung habe ich einfach gesehen, dass es eine unterversorgte Patientengruppe ist und deshalb liegt sie mir besonders am Herzen.

Axel Enninger: Ja, immer gut, wenn man eine gewisse Leidenschaft für ein Thema entwickelt. Und darüber wollen wir heute ein wenig reden. Wenn man sich die Jungenwelt einmal anschaut, dann wächst man ja erst einmal von vielen Frauen umgeben auf. Also die KiTa: Erziehende sind meist Erzieherinnen, es gibt ein paar wenige Erzieher, auch die Grundschullehrkräfte sind meistens Lehrerinnen. Das heißt, die ganzen Betreuungen laufen über Frauen. Haben Sie den Eindruck, dass das für Jungs manchmal ein Problem sein könnte?

Esther Maria Nitsche: Ganz ohne Frage. Wir sagen ja gerne: „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“, aber genauso sind „Jungs keine Mädchen“. Und die Erwartungshaltung wird tatsächlich gerade am Anfang sehr weiblich geprägt. Typisch jungshafte Verhaltensweisen werden sehr häufig sogar pathologisiert. Jeder, der in der Niederlassung ist wie ich und Vorsorgen macht, kennt diese Flut von Anforderungen für Ergotherapie, für ein Verhalten, das ich aus meiner Sicht noch als völlig normales, jungstypisches Verhalten nehmen würde. Das heißt, die Rollenvorbilder fehlen auf der einen Seite, wir haben auch viele Alleinerziehende und die Alleinerziehenden sind in der Mehrzahl tatsächlich die Mütter. Wir haben die Kindergärten, wir haben die Schulen und die Probleme landen am Ende bei uns. Die Mütter kommen mit ihren Kindern und sagen: „Mit meinem Jungen stimmt irgendetwas nicht, bitte gucken Sie nach.“ Da bin ich 100 % bei Ihnen. Aber auch bei uns in der Medizin haben wir da einen Nachholbedarf. Auch wir sehen die jungsspezifischen Probleme oft nicht auf Anhieb. Und genau das ist es, worum wir uns hier ja kümmern wollen, damit das bei jedem, der jetzt diesen Podcast gehört hat, nachher anders ist.

Axel Enninger: Okay, das leuchtet mir unmittelbar ein. Also, ich sage jetzt mal, die Prügelei und manchmal Impulsivität von Jungs, da kann man jetzt fragen, ist das ein Klischee oder ist das tatsächlich so? Aber in der Tat, die Beurteilung, da haben Sie völlig recht, und das finde ich auch sehr spannend, erfolgt natürlich über Schulnoten, über Zuhören, über ordentliche Hausaufgaben, über ordentliche Schulhefte und so weiter. Das finde ich schon immer mal gut, wenn man sich da in die Betreuerinnen hineinversetzt und die Betreuerinnen aber vielleicht auch einmal überlegen sollten: „Kann man da irgendwas ändern?“

 

Gesundheitsfürsorge als Zeichen von Stärke, Jungs „abholen“

Axel Enninger: In der Medizin, sagen Sie, sind die Jungs eher unterrepräsentiert. Und Sie hatten uns im Vorgespräch erzählt, dass gerade Teenie-Jungs bzw. Jungs in der Teenagersprechstunde total in der Minderheit sind. Obwohl, wie Sie vorhin schon gesagt haben, es 50 % der Bevölkerung sind. Warum ist das so? Warum erreichen wir die Jungs nicht?

Esther Maria Nitsche: Also, da möchte ich ganz gerne Herrn Bühmann einmal zitieren, dem wir wie gesagt die HPV-Impfung für die Jungs verdanken. Herr Bühmann sagte: „Männer haben ein eher distanziertes Verhältnis zur Gesundheitsfürsorge.“ Und jetzt kommen wir rein: Gesundheitsfürsorge für einen selbst, das Selbstaufpassen, wird in der Adoleszenz erlernt und das Klischee ist: „Der starke Mann braucht keinen Arzt!“ Einen Arzt zu brauchen ist ein Zeichen von Schwäche. Und wenn das vermittelt wird, auch in den Familien vermittelt wird, dann tauchen auch die Jungs weniger auf. Das ist in der Tat so. Zu 100 % geht es mir nicht auf, denn ich habe gemerkt, wenn ich die Jungs richtig anspreche, kommen sie auch. Und sie kommen interessanterweise bis 18. Ich hatte gerade wieder einen 17 3/4 Jahre alten Jungen, wo ich dachte: ‚Na, der ist jetzt längst beim Allgemeiner‘. Nein, sie kommen. Wenn sie entsprechend angesprochen werden, kommen sie. Und ganz interessant: Die Arbeitsgruppe Jugendmedizin von der amerikanischen Fachgesellschaft hatte so einen „Kassensturz“ in Auftrag gegeben: Was ist da an Jungenmedizin und was brauchen wir für male adolescent health, was müssen wir noch schaffen? Und ein ganz interessanter Teil in der Befragung war: 63 % der männlichen Jugendlichen ist es völlig egal, ob da eine Frau oder ein Mann als Arzt ist. Die Mädchen wollen gerne Frauen. Aber bei den Jungs ist es egal. Das heißt, wir müssen sie, glaube ich, korrekt ansprechen. Wir müssen die Türen öffnen. Und wir müssen publik machen, dass es eher ein Zeichen von Stärke ist, wenn man auf sich selbst aufpasst.

Axel Enninger: Okay, das finde ich auch einen spannenden Aspekt, den Grundstein zu legen, dass Männer besser auf ihre Gesundheit aufpassen. Das wissen wir auch bei Vorsorgen von Menschen in meinem Alter. Da sind die Frauen deutlich disziplinierter. Die Männer neigen dazu, das entweder zu verdrängen oder zu „verschlampern“. Ja, das wäre auch etwas, wo man langfristig für das Thema Männergesundheit etwas tun kann. Wie machen Sie es denn? Also wie kriegen Sie denn die Jungs dazu zu sagen: ‚Na ja, könnte vielleicht doch gar nicht schlecht sein, wenn ich mal einen Termin bei Frau Nitsche ausmache‘?

Esther Maria Nitsche: Es geht in erster Linie tatsächlich über die Eltern, wenn es Jugendliche sind, die noch nicht bei mir waren. Ansonsten versuche ich ein entsprechendes Verhältnis zu den Jungs schon in der Kindheit aufzubauen, was dann fast bis ins junge Erwachsenenalter hineinträgt. Und der Junge, den ich eben zitiert hatte, mit 17 3/4 Jahren, der kam wegen Problemen beim Geschlechtsverkehr. Den kenne ich, seit er drei Jahre alt ist. Er ist mit drei Jahren zu mir gekommen, das heißt, da ist ein Vertrauensverhältnis gewachsen. Wichtig ist, dass die Kommunikation dann mit dem Kind heranwächst. Und Jungs kommunizieren in meiner Erfahrung anders als Mädchen. Mädchen sind oft sehr direkt, haben sehr konkrete Fragen. Bei den Jungs ist es aus meiner Erfahrung sehr viel wichtiger, offen zu fragen, offene Fragen zu stellen oder auch allgemein zu fragen. Gar nicht: „Wie ist es bei dir?“, sondern: „Möchtest du über ein bestimmtes Thema etwas wissen?“ oder: „Ich werde in dem Zusammenhang ganz oft ‚das und das‘ gefragt. Ist das etwas, was dich auch interessiert?“

Axel Enninger: Sie sozusagen ein bisschen abholen, quasi eine kleine „Vorlage“ machen, dass sie nicht das Gefühl haben, da kriegen sie jetzt irgendwie schlaue Ratschläge aufgedrückt.

Esther Maria Nitsche: Und sehr viel häufiger beim Jungen, dass der Junge sagt: „Bei meinem Freund…“ und ich weiß ganz genau, er ist es selbst.

 

Auf Jungs besonders aufpassen: Fertilität, endokrine Disruptoren

Axel Enninger: Okay, spannend. Da kann ich vielleicht gleich einmal im Gespräch erzählen, wie ich das in meiner CED-Sprechstunde mache. Da gibt es auch so ein paar Themen. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen – Jungs wachsen mit einem Crohn meist schlechter als Mädchen, kommen später in die Pubertät. Das ist für sie echt ein Problem und oft reden sie nicht darüber. Aber noch mal, Sie haben also gesagt, der eine Punkt wäre: Es wäre gut, wir würden ein frühes Training für das Bewusstsein von Vorsorgeuntersuchungen machen. Es ist in Ordnung, unser Gesundheitssystem in Anspruch zu nehmen. Und dann haben Sie aber, glaube ich, noch andere Aspekte, wo Sie sagen würden: ‚Da müssen wir besonders gut auf die Jungs aufpassen.‘ Warum, warum das?

Esther Maria Nitsche: Das fängt bei der U2 oder bei der U3 schon an: Bitte, bitte die Windel aufmachen! Schauen, ob die Testes deszendiert sind. Wenn das nicht der Fall ist, wenn sie zu warm liegen, wissen wir heute, dass wir später eine Infertilität kriegen. Da müssen wir wirklich auf die Jungs aufpassen. Das andere, worauf sie jetzt gerade wahrscheinlich abheben, das ist so ein bisschen mein persönliches Steckenpferd, das sind die endokrinen Disruptoren. Wir wissen, dass der männliche Organismus, warum auch immer, vulnerabler ist als der weibliche Organismus.

Axel Enninger: Komisches Wort: „endokrine Disruptoren“. Was ist das denn?

Esther Maria Nitsche: Das sind Substanzen, die von außen auf den Körper einwirken, die ein Teil des sogenannten „Exobioms“ sind – aller Einflüsse, die wir auf den Körper haben zu jedem Zeitpunkt unseres Lebens von vorgeburtlich bis zum hohen Erwachsenenalter – die in irgendeiner Weise auf Hormonregelkreise einwirken, was sie eigentlich nicht sollen. Sie können Hormon-Signaltransduktion stören. Sie können an Rezeptoren binden. Wenn sie an Rezeptoren binden, kann es sein, dass sie die Wirkung unterbrechen, dass sie eine Wirkung entfalten, wo noch gar keine Wirkung da sein sollte, dass sie die Wirkung abschwächen. Das heißt, das sind Substanzen, die unser Endokrinum in allen Bereichen stören. Und da möchte ich einmal Theo Corlborn zitieren, eine ganz charismatische Pionierin auf dem Gebiet, die sagte: „Wenn wir für einen Rezeptor noch keinen Disruptor gefunden haben, dann haben wir noch nicht genug geguckt.“ Also, jeder Hormon-Regelkreis kann gestört werden. Warum die Jungs darauf empfindlicher sind? Die Antwort kann ich Ihnen nicht geben und die kann Ihnen im Moment noch keiner geben.

Axel Enninger: Jetzt brauche ich ein Beispiel. Also, da gibt es Rezeptoren, da gibt es Regelkreise, und da sagen Sie, gibt es Disruptoren. Machen Sie da mal ein Beispiel? Das ist mir noch nicht so richtig klar.

Esther Maria Nitsche: Ein Beispiel wäre, wir nehmen den Androgen-Rezeptor, der ja für die männliche Differenzierung wichtig ist, weil wir ja gerade bei den Jungs sind. Und an diesen Androgen-Rezeptor können Substanzen binden. Genauso können Substanzen binden an den Östrogen-Rezeptor. Wenn ich jetzt einen Androgen-Rezeptor hab, der blockiert wird, kriege ich eine verminderte Vermännlichung. Habe ich aber einen Östrogen-Rezeptor, der stimuliert wird zum falschen Zeitpunkt, dann bekomme ich eher eine Verweiblichung. Und da kennen wir viele, viele Substanzen. Das ist Bisphosphonat A, das sind die PCBs, das sind all die Weichmacher in Plastik. Das sind viele verschiedene Substanzen, das sind Schwermetall-Verbindungen, wie sie zum Beispiel im Fisch vorkommen, weil die an Schiffen geknabbert haben, die wiederum damit außen angepinselt waren. Das ist eine ganze Menge von Substanzen. Das sind auch die verschiedenen Isoflavonoide im Soja, die das machen. Das heißt, es müssen nicht immer chemische Substanzen sein, die das machen. Was wir aber wissen, wenn wir diesen Östrogen-Rezeptor stimulieren, und viele der endokrinen Disruptoren stören tatsächlich in dem Bereich und sind entweder antiandrogen oder sie wirken östrogen und im schlimmsten Fall beides.

Axel Enninger: Ich habe mal gelernt, dass viele von den Substanzen sich im Fettgewebe ablagern und dann hätte ich wiederum gedacht, dass dann eher die Mädchen da ein Problem kriegen, weil das Verhältnis von Fett : Muskelmasse bei Mädchen ja meistens ausgeprägter ist. Warum sind die Jungs jetzt das Problem, wenn Mädchen eigentlich mehr Fettmasse haben?

Esther Maria Nitsche: Das wissen wir nicht. Was wir aber wissen, dass zum Beispiel eine Mutter, die vorgeburtlich sehr, sehr stark belastet war, wenn sie Fettgewebe abbaut oder in der Stillzeit vermehrt Fett abgibt aus ihrem Körper, dass sie darin tatsächlich vermehrt solche endokrinen Disruptoren hat. Das wissen wir.

Axel Enninger: Das war das Stichwort PCB in der Muttermilch. Das war die große, große Diskussion in den 80er, 90er Jahren.

Esther Maria Nitsche: Richtig. Wenn der Stempel auf dem Muttermilch-Untersuchungsbefund war: „Nicht für den menschlichen Verzehr geeignet“. Genau.

 

Jungs sind gefährdeter – vermindern, was zu vermindern geht

Axel Enninger: Okay. Jetzt sagen Sie, die Jungs sind da möglicherweise mehr gefährdet. Aber wenn wir das wissen, dann haben Sie wahrscheinlich so ein paar Dinge, wo Sie sagen würden: ‚Hm. Keine gute Idee.‘ Also, das Plastik haben wir vorhin schon gesagt. Was hat dieses Wissen in Ihrem Alltag verändert? Was machen Sie anders?

Esther Maria Nitsche: In der Beratung, in der Beratung! Darf ich einmal noch ganz kurz vorweg sagen, warum wir wissen, dass es die Jungs stört. Da gibt es mittlerweile sehr, sehr gute Tierversuche aus vielen Arbeitsgruppen. Skakkebæk in Kopenhagen [Anm. d. Red.: Prof. Niels E. Skakkebæk] ganz vorneweg, Frau Léger [Anm. d. Red.: Prof. Juliane Léger]. Es gibt verschiedene Leute, die im Tierversuch zeigen konnten, dass einzelne Substanzen wirken. Das ist die eine Seite. Und die epidemiologische Seite ist, wir haben eine Zunahme an Kryptorchismus – bitte in die Hose gucken! Wir haben eine Zunahme an Hypospadien. Wir haben einen Fertilitätsrückgang bei den Männern, der kontinuierlich ist in den letzten 30 Jahren. Also, die Spermienzahl geht zurück. Da kann man sagen, eins reicht, aber reicht eben dann doch nicht. Wir haben einen Rückgang des Anogenitalabstands, von dem wir genau wissen, dass er östrogenvermittelt ist. Kann man im Tierversuch nachbauen. Also, wir wissen es aus dem Tierversuch, und die Epidemiologie spricht dafür. Prostatakarzinom geht hoch. Testikuläres Karzinom geht hoch. Das heißt, wir haben indirekte Beweise für den Menschen, keine direkten – lange Latenzen; Cocktails, die da wirken. Aber, wir haben eine Epidemiologie, die dafür spricht, und wir haben Beweise im Tierversuch. Die Konsequenz bei mir hängt natürlich ein bisschen davon ab, wie differenziert die Patienten sind, die kommen. Aber wer so differenziert ist, dass er mich gut verstehen kann und wo ich auch verbal gut kommunizieren kann, diese Leute berate ich in der Tat schon ab der U3 – das ist meist die erste Untersuchung, wo sie kommen, U2 ist die Ausnahme – dass sie versuchen, ihr Kind, wo es geht, davor zu schützen. Wir müssen im Grunde in zwei Gruppen einteilen. Wir haben einmal die vermeidbaren und wir haben die unvermeidbaren endokrinen Disruptoren. Es gibt welche, von denen kommen wir nicht weg. Aber die, die vermeidbar sind, dass wir die versuchen für diese Kinder, weil sie ganz lange Zeit haben, Folgen zu entwickeln, zu vermindern.

Axel Enninger: Also, was kann ich denn vermeiden?

Esther Maria Nitsche: Kunststoffe stehen ganz oben auf der Liste. Kassenbons, die weiß sind. Diese Blaugrauen sind okay, aber Kassenbons, die weiß sind, die bedruckt sind, kann ich weglassen. Es gehört übrigens auch, Gott sei’s geklagt, sehr scharf Gebratenes dazu, weil Acrylamide auch östrogene Wirkung entfalten und nachweislich nicht gut sind. Das heißt scharf Gebratenes gehört selten auf den Teller. Auf Teflon kann ich verzichten, auf PFAS insgesamt. Wenn ich Kleidung imprägnieren muss – keiner wird gerne nass, aber wenn ich Kleidung imprägnieren muss – dann sollte ich ganz unbedingt gucken, dass die Kinder nicht in der Nähe sind, dass sie das nicht einatmen.

Axel Enninger: Wollen Sie mir jetzt meine Chips verbieten?

Esther Maria Nitsche: Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, Herr Enninger, aber ich glaube, wir beide haben nicht mehr so ein großes Risiko aufgrund der verbliebenen Zeitspanne. [Lachen].

Axel Enninger: Okay. Aber grundsätzlich ist dieses Acrylamid ja immer wieder mal in der Diskussion, und da geht es tatsächlich um Pommes und Chips, oder?

Esther Maria Nitsche: Richtig, richtig und „low doses matter!“ Das heißt, bei den endokrinen Disruptoren zählen ganz kleine Mengen. Damit es karzinogen wird, brauche ich größere Mengen.

 

Glas vermeidet Mikroplastik gleich mit

Axel Enninger: Mhm. Okay. Jetzt haben aber viele junge Familien ständig irgendwie Plastikschalen dabei, oder? Man hat immer das Gefühl, die Kinder wären früher alle verhungert. Immer haben sie irgendwelche Snacks dabei, Trinkflaschen dabei, Quetschies dabei, alle möglichen Dinge. Also erstens: Ich als alter, weißer Mann würde sagen, früher sind die Kinder auch nicht verhungert, aber die Bemerkung klammere ich wieder ein. Trotzdem: Gibt es da einen Ratschlag, den Sie an junge Familien geben?

Esther Maria Nitsche: Ja, also wir haben hier zwei Aspekte. Also, ich bin nicht der Meinung, dass man wie ein Weidetier ununterbrochen Nahrung zu sich nehmen muss. Ich bin durchaus für eine gewisse Strukturierung im Tagesverlauf, aber tatsächlich empfehle ich: „Nehmen Sie Glas! Nehmen Sie Glasverpackungen.“ Quetschies will ich aus verschiedenen Gründen nicht, aber auch nicht, weil sie sich in einer Plastikverpackung befinden. Jetzt haben wir gleich mehrere Aspekte dabei. Die Kinder wollen ja später auch mal eine Welt haben, in der sie gut leben können. Das Mikroplastik vermeiden sie auf diese Weise gleich mit.

Axel Enninger: Genau, dieses permanente Essen ist aus kinder-gastroenterologischer Sicht natürlich auch ein Problem. Die Kinder müssen lernen, dass es einen Unterschied gibt zwischen Durst und kein Durst und Hunger und kein Hunger. Dazu sind Pausen schon mal ganz gut.

Esther Maria Nitsche: Absolut.

Axel Enninger: Wenn sie bei mir im Sprechzimmer etwas zu essen kriegen, dann sage ich auch immer: ‚Dieser Termin dauert jetzt nicht so lange. Es geht auch ohne Essen.‘

Esther Maria Nitsche: Bei mir ist es absolut verboten.

 

Schamgefühle, die richtige Ansprache und Ernstnehmen

Axel Enninger: Jetzt hatten wir vorhin schon mal so ein bisschen angeteasert, und das würde ich gerne noch mal fragen. Also, Beispiel aus meiner Sprechstunde: Kinder mit Morbus Crohn. Da wissen wir, dass in der Risikoeinstufung die Jungs eher ein Problem haben, ihr Längenwachstum auszuschöpfen, das Wachstumspotenzial auszuschöpfen. Sie sind eher Risikogruppe, sie kommen später in die Pubertät. Und man merkt es ja vielen Jungs an, sie sitzen da, sie leiden drunter, weil sie klein sind, weil sie noch keine Schamhaare haben, weil sie noch nicht in die Pubertät kommen. Also der erste Punkt: Pubertät kommt verzögert. Aber dann gibt es auch Punkte, wenn sie in die Pubertät kommen und sie entwickeln Akne und haben da ein Problem, dann habe ich häufig das Gefühl, weil ich sie schon eine Weile kenne, irgendwie leiden sie drunter. Aber so aktiv würden sie es erst einmal nicht sagen. Ist das auch Ihr Eindruck?

Esther Maria Nitsche: Absolut. Da bin ich absolut bei Ihnen. Genau. Sie haben einfach Angst, sich zu äußern, weil sie Angst haben, verurteilt zu werden. Das ist die Erfahrung, die ich mache. Und die sozialen Medien spielen dabei eine ganz unglückliche Rolle aus meiner Sicht. Es gibt eine Selbstoptimierung, es gibt einen Konkurrenzkampf sozusagen auch unter den Jungs. Wenn sie die Bilder sehen im Internet, wissen sie nie, welcher Filter darüber gelegt wurde. Und dann schauen sie sich an und dann ziehen sie sich in sich zurück.

Axel Enninger: Das ist bei Mädchen ja auch so. Da wissen wir, dass da die „Generation Influencer“ und Essstörungen so ein Problem darstellen. Bleiben wir noch mal bei den Jungs. Also da sitzt jetzt einer… Ich mache es mittlerweile so, dass ich sage: ‚Mensch, deine Haut sieht ja ein bisschen schwierig aus. Bist du denn da in Behandlung oder müssen wir da irgendwie etwas tun?‘ Also, ich versuche das anzusprechen. In meiner Sprechstunde gucken wir am Anfang immer auf die Perzentilen, und wenn ich dann sehe, sie sind eher klein, sage ich: ‚Hm, guck mal da, so und so, macht dir das Sorgen?‘ Würden Sie das empfehlen? Würden Sie sagen, das ist okay so wie ich das mache? Oder welchen Ratschlag haben Sie?

Esther Maria Nitsche: Ich frage etwas offener. Ich frage, ob es „etwas“ gibt, was stört und versuche zumindest beim Erstkontakt nicht sofort auf die Sache direkt zu sprechen zu kommen und sage dann erst im Verlauf irgendwann: ‚Hier ist deine Wachstumskurve. Wie bist du so im Klassenverlauf? Kommst du gut zurecht? Wie ist denn das im Sport? Machst du Sport, macht dir Sport Spaß?‘ Und dann kommt ganz oft bei diesen Patienten: ‚Ja, ich war im Fußballverein, aber da komme ich nicht mehr so richtig mit. Die anderen sind größer.‘ Und man darf nicht vergessen, Testosteron ist endogenes Doping. Sie gewinnen ihre Muskelmasse dazu. Das heißt, wenn die anderen an ihnen vorbeigehen, und das sind nicht nur die CED-Patienten, das sind auch die mit der Normvariante „konstitutionelle Verzögerung von Wachstum und Entwicklung“, also Spätentwickler. Die haben es genauso. Und ja, sie leiden, aber ich habe ganz oft drei oder vier Besuche, bevor ich das wirklich ansprechen kann und wo wir dem auf den Grund gehen können.

Axel Enninger: Viele der männlichen Zuhörer werden sich jetzt auch an Zeiten erinnern, wo man in der Pubertät, im Sportverein, im Umkleideraum stand und immer so geguckt hat. Wie passt denn das?

Esther Maria Nitsche: Wer ist wie?

Axel Enninger: Wer ist wie, wer sieht wie aus und geht man noch gemeinsam duschen oder nicht? Da gibt es ja auch unangenehme Situationen, an die sich wahrscheinlich viele von uns zurückerinnern.

Esther Maria Nitsche: Mit Sicherheit, mit Sicherheit. Da kann ich jetzt nicht im gleichen Maße mitreden, aber mit Sicherheit. Und da zählt, da sind es nicht nur die, wie Sie jetzt sagen, die mit der Größe auffällig sind, das ist die Gynäkomastie, die da hineingehört. Da sind die einen, die meinen, sie haben zu viele Haare auf der Brust, die anderen, die meinen, sie haben zu wenig Haare auf der Brust. Es betrifft ganz, ganz viele, die sich tatsächlich in der Pubertät zurückziehen und eher Zeit vor dem Bildschirm verbringen, leider. Und eben rausgehen aus den Sportvereinen. Das ist ganz bitter. Aber das Ansprechen finde ich wichtig. Wie gesagt, versuche ich meistens den Weg über die allgemeine Ansprache und dann das Angebot oder die Erklärung. Ganz, ganz wichtig ist Ernstnehmen, das heißt, wenn der Jugendliche selbst kommt, da ich ja Endokrinologin bin. Dann haben sie einen Freund, der behandelt wurde, dann kommen sie durchaus auch mal von sich aus selbst – ich kenne sie noch gar nicht – kommen das erste Mal zu mir. Dann nicht gleich sagen: ‚Ach guck mal hier, so schlimm ist das doch gar nicht, bis 10. Perzentile ist das noch okay.‘ Sondern, nee! Dieser Junge leidet. Und dann fragen warum? ‚Was ist das Schlimmste daran?‘ Das finde ich ganz, ganz wichtig, die Gesprächsführung letztlich.

 

Jungsthemen… Körperlänge, Pubertät, Genitalform und -größe

Axel Enninger: Okay, Ernstnehmen das eine, nicht bagatellisieren, haben Sie gerade gesagt. Gibt es so Klassikerthemen, wo Sie sagen würden, das sind typische Themen? Was hatten wir gerade schon? Längenwachstum hatten wir, Pubertätsentwicklung hatten wir. Gibt es sonst Themen, wo Sie in Ihrer Erfahrung sagen würden, das sind Klassikerthemen, die Jungs beschäftigen, die wir aber vielleicht gar nicht so auf dem Schirm haben?

Esther Maria Nitsche: Also die Gynäkomastie steht in meiner Sprechstunde ganz, ganz oben. Das betrifft nach der Literatur, die ich kenne, 75 % aller Jungs zu irgendeinem Zeitpunkt und jeder denkt, er ist der Einzige. Ganz, ganz wichtig. Genitalgröße spielt eine ganz, ganz entscheidende Rolle und Form auch, Penisform in den letzten vier, fünf Jahren. Das war mir gar nicht klar, dass darauf geachtet wird als Junge. Da wird offensichtlich sehr stark darauf geachtet. Für die Mädchen gibt es so einen „Vergleichsatlas“ quasi, wie verschiedene Vulvaformen aussehen können, was alles normal ist. Ich würde mir dringend wünschen, sowas Ähnliches hätten wir auch für die Jungs, um einfach zu zeigen: ‚Doch das ist normal. Das sieht vielleicht anders aus als bei deinem Freund, aber es ist völlig normal.‘

Axel Enninger: Okay, also Penislänge und Penisaussehen würden Sie sagen?

Esther Maria Nitsche: Aussehen, ja.

Axel Enninger: Okay, aber wie gehen Sie damit um? Also, ich meine, wenn Sie sagen, da gibt es keinen Normvariantenatlas… Wie machen Sie denn das?

Esther Maria Nitsche: Letztlich im Gespräch. Was die Penislänge angeht, versuche ich natürlich, die in Relation zu setzen. Es gibt so etwas wie ein Mikrogenitale. Solche Patienten betreue ich auch. Denen geht es psychisch überhaupt nicht gut und da empfehle ich teilweise tatsächlich eine unterstützende Psychotherapie, um Coping-Strategien zu entwickeln. Da muss man schon irgendwann sagen: ‚Der ist klein.‘ Oder ist er „zu klein“? Also ähnlich wie bei der Körpergröße auch müssen wir versuchen, entsprechend etwas zu finden. Da ist leider Gottes die Literatur total widersprüchlich. Das Berner Datenbuch ist total veraltet. Dann gibt es sehr schöne Perzentilen von Wang. Das sind aber chinesische Jungs und dann gibt es eine sehr schöne Arbeit, Autorenname ist mir gerade entfallen, aber das sind bulgarische Jungs, die da gemessen wurden. Das heißt, wir haben nichts, wo wir jetzt wirklich sagen können, wir hätten jetzt hier für Deutschland wirkliche Normwerte. Man „hühnert“ sich da so ein bisschen zurecht.

Axel Enninger: Okay, das leuchtet mir auch unmittelbar ein. Und da ist wahrscheinlich das, was Sie vorhin schon gesagt haben, das Thema der sozialen Medien auch ein Riesenproblem, weil wir natürlich so eine „Optimierung“ vor uns haben. Also, es sind ja auch nicht nur pubertierende Kinder, auch Menschen in meinem Alter kriegen mittlerweile immer vorgebetet: „longevity“, was ich alles machen muss, welche Supplemente ich schlucken muss, wie viel Sport ich machen muss. Das zieht sich ja durch die Generationen hindurch.

Esther Maria Nitsche: Und alles ohne kommerzielle Interessen. Genau. [Schmunzeln.]

 

Sexuelle Orientierung ist inzwischen weniger Schattenthema

Axel Enninger: Genau. Alles ohne kommerzielle Interessen. Ist die Frage nach der sexuellen Orientierung etwas, was Sie in Ihrer Sprechstunde besprechen oder was Ihnen als Thema vorgebracht wird? Das frage ich jetzt, weil wir dazu auch eine in die Richtung gehende Folge machen werden.

Esther Maria Nitsche: Vorgebracht zunehmend tatsächlich, weil ich denke, dass sich herumspricht, dass man mit mir darüber sprechen kann. Ich glaube, das ist mehr oder weniger mehr eine Art „Label“ der Praxis. Tatsächlich mehr von Mädchen. Also, ich habe sehr, sehr viel gefühlt genderdysphorische Mädchen in der Betreuung, aber durchaus auch von Jungs. Und da muss ich sagen, dass gerade die, die irgendwann entdecken, dass sie homosexuell sind, zum Beispiel, gesundheitlich deutlich interessierter sind. Interessierter sind an Verhütung, interessierter an Barrieremethoden, interessierter an der sexuellen Gesundheit. Und das sehe ich als sehr positive Entwicklung, zumindest bei den Patienten, die zu mir kommen.

Axel Enninger: Jetzt ist ja Geschlechtsdysphorie und Homosexualität nicht unbedingt immer…

Esther Maria Nitsche: Um Gottes willen, um Gottes Willen, nein, nein, das möchte ich bitte nicht.

Axel Enninger: Genau, wir betonen es vielleicht noch mal, dass es das da kein Junktim gibt.

Esther Maria Nitsche: Definitiv, definitiv, nein. Was ich sagen wollte: Die homosexuellen Jungs fallen aus der Gruppe der „Gesamtjungs“ insofern auf, als sie besser auf sich aufzupassen scheinen, so in der Gesamtheit. Und die Frage Genderdysphorie begegnet mir häufiger tatsächlich bei Mädchen, sehr viel häufiger. Die Fälle von Jungs, die damit an mich herangetreten sind, kann ich an einer Hand abzählen in 20 Jahren.

Axel Enninger: Da können wir auch schon mal teasern. Dazu wird es eine Podcastfolge geben, zum Thema Genderdysphorie. Das haben wir noch nicht, aber wird es geben.

Esther Maria Nitsche: Wunderbar.

 

„Ich hätte gern mal ein bisschen mehr Zeit mit dir“

Axel Enninger: Eine Frage, die ich auch gerne noch stellen möchte, ist das Thema J1 und was man bei der J1 besprechen muss. Da geht es ja auch um sexuell übertragbare Erkrankungen, Verhütungsmethoden, um solche Dinge. Das steht dann da immer. Findet das dann wirklich so statt?

Esther Maria Nitsche: Also das Erste ist ja, ich muss sie erstmal zur J1 kriegen und da möchte ich Reklame dafür machen, dass man Jungs, die wegen Halsschmerzen oder meinetwegen auch nur für ein Schulattest, weil an dem Tag eine Mathearbeit war, kommen, dass man die so durch die Blume beiläufig anspricht: „Sag mal, wie sieht es denn aus? Ich hätte gern mal ein bisschen mehr Zeit mit dir. Wie sieht das aus? Möchtest du nicht zur J1 kommen?“ Und dann ist das definitiv Thema. Und da ist die erste Frage, schon mal drüber gesprochen? ‚Was weißt du? Was ist denn so das Erste, das dir da so einfällt? Gibt es etwas, das du wissen möchtest?‘ Und wenn er dann sagt: ‚Nee, nee, interessiert mich nicht‘, dann: ‚Es gibt aber etwas, das ich möchte, dass du es weißt. Vielleicht weißt du das alles schon. Aber bitte, wir haben jetzt hier Zeit zusammen. Ich habe mir die Zeit genommen. Du hast dir die Zeit genommen. Hör es dir einmal kurz an.‘ Da habe ich noch keinen erlebt, der da gesagt hat, das möchte er nicht.

Axel Enninger: Das heißt, Sie drücken denen das schon so ein bisschen auf?

Esther Maria Nitsche: Na, ich versuche erst, ob ich sie von alleine kriege und dann kommen sie da nicht raus. Zumindest für die groben Sachen. Und da gibt es in dieser Studie von der AAP, was ich zitiert hatte vorhin, diese Ist-Status-Erfassung, da gibt es Untersuchungen, dass generell Mädchen dreimal häufiger aufgeklärt werden in solchen Kontakten als Jungs – Amerika, okay, aber wir haben keine deutschen Zahlen – und Jungs auch nur halb so oft informiert werden über Barrieremethoden. Und da sind wir ganz oben. Wir haben weltweit eine Zunahme an SCD, an sexuell übertragbaren Erkrankungen. Wir haben keine Zahlen in Deutschland für die Jugendlichen. Ich habe noch mal versucht, was zu finden, aber es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es da anders ist als beim Rest der Bevölkerung. Und wir müssen sie sowohl über Verhütung als auch über vermeidbare Erkrankungen aufklären. Und manchmal, manchmal muss man sie zu ihrem Glück da ein bisschen zwingen. Dann haben sie es zumindest mal gehört und ich würde hoffen, dass es in der Akutsituation hochkommt.

Axel Enninger: Also, ich bin ja nicht niedergelassen, aber Sie haben als niedergelassene Kollegin ja eigentlich auch zwei Zeitpunkte. Sie haben wahrscheinlich den noch früheren Zeitpunkt der HPV-Impfung, oder? Und dann noch mal die J1, oder? Das könnte man ja doppelt nutzen.

 

Für die frühe HPV-Impfung hilft das Stichwort „Genitalwarzen“

Esther Maria Nitsche: Danke, dass Sie die HPV-Sache noch mal mit ansprechen. Das hätte ich natürlich auch noch mal mit sagen müssen. Ganz, ganz, ganz, wichtig. Die HPV-Impfraten der Jungs in Deutschland sind grottenschlecht, grottenschlecht. Da müssen wir zwingend auch besser werden. Ich handhabe das so, dass ich versuche, alle Jugendlichen schon zur U11 zu kriegen, das ist Ende Grundschulalter. Da ist es noch nicht wirklich das Thema in dem Moment. Ich versuche früh zu impfen, zwischen zehn und zwölf, und ich habe einen praxiseigenen Flyer. Den kriegen diese Viertklässler oder End-Drittklässler von mir in die Hand gedrückt. Lesen können sie, und ich sage: ‚Das ist für dich, aber wenn deine Eltern wollen, lass sie es ruhig auch lesen.‘ Und dann können sie sich darüber informieren. Ich habe in meiner Praxis sehr, sehr gute Impfraten dazu. Sie kommen dann meistens tatsächlich auch zum Impfen. Thema Sexualität, also sexuelle Orientierung, das kommt manchmal bei der U11, aber Sexualität an sich praktisch nicht. Dafür sind sie noch zu jung.

Axel Enninger: Vielleicht auch da ein kleiner Verweis. Wir hatten letztens Impfsprechstunde mit Herrn Heininger. Er hat ganz schöne Daten gezeigt, dass eben die frühe HPV-Impfung tatsächlich den deutlich besseren Schutz gibt, als das, was man immer wieder hört: ‚Na ja, machen wir mal später mit 16, 17, 18‘. Da ist einfach die Ansprechrate deutlich besser, je früher es ist. So ein bisschen noch mal die Aufforderung, jetzt auch aus dieser Podcastfolge an die Kolleginnen und Kollegen: Vielleicht geht es früher als wir so denken. Dieses Abwarten, bis die Jungs und Mädchen sexuell aktiv werden, ist vielleicht keine gute Strategie.

Esther Maria Nitsche: Das ist die britische Studie, die ist fantastisch. Im höheren Zehnerbereich liegt der Schutzunterschied tatsächlich… Klar, ein paar sind tatsächlich schon sexuell aktiv, aber offensichtlich ist auch das Immunsystem früher lernfähiger, ja. Also, ich versuche sie bis 12 alle geimpft zu haben, die ich erwischen kann. Da habe ich übrigens auch keinen Widerstand bei den Jugendlichen. Das Geheimnis ist, glaube ich, das Stichwort „Genitalwarzen“ – und dann einmal googlen…

Axel Enninger: Okay, wann lassen Sie es fallen, das Wort?

Esther Maria Nitsche: Das steht mit in dem Flyer drin. Den kriegen die mit 10.

Axel Enninger: Okay, fieses Bild zur Abschreckung. [Schmunzeln.]

Esther Maria Nitsche: Erhöht durchaus die Compliance, ja.

Axel Enninger: Okay. Aber das ist ja gar nicht unser Thema. Woran liegt es denn, dass die HPV-Impfrate so grottenschlecht ist? Denken wir nicht genug dran oder sind wir zu schüchtern oder was ist unser Problem?

Esther Maria Nitsche: Also, das ist einmal, dass wir die Jungs nicht in die Sprechstunde kriegen. Damit fängt es ja schon mal an, dass wir nicht Werbung machen können. Und es ist, dass die Eltern die HPV-Impfung weitgehend immer noch mit der Sexualität verbinden. Sehr unglücklich ist, dass in Deutschland das Ding „Gebärmutterhalskrebs-Impfung“ heißt, und Jungs haben keinen Gebärmutterhals. Ich habe ganz, ganz viele Eltern, die gucken mich ganz erstaunt an und sagen, wir dachten, das ist nur für die Mädchen. Und wenn man dann Aufklärung betreibt… Also ich glaube, es ist teilweise eine Aufklärungssache und teilweise, dass wir sie nicht zu packen kriegen. Also ich glaube, die ist verbesserbar, bin ich fest überzeugt.

Axel Enninger: Ja, also, wie vieles in unserem Gesundheitswesen verbesserbar ist. Okay.

Esther Maria Nitsche: Ich sehe ja die Impfraten bei mir in der Praxis. Es geht, wenn wir uns dahinterklemmen.

 

Klinefelter- und Marfan-Syndrom

Axel Enninger: Okay. Jetzt haben wir schon zwei Verweise. Einmal zur Geschlechtsdysphorie und einmal zur Impfsprechstunde. Jetzt mach ich noch einen dritten Verweis. Ich hatte einmal Frau Professor Grasemann zu Besuch und wir haben über Klinefelter geredet. Das sollten wir in dem Zusammenhang mit Jungenmedizin vielleicht auch noch mal kurz besprechen.

Esther Maria Nitsche: Gerne. Ist eine seltene Erkrankung. Der Klinefelter ist eine chromosomale Erkrankung, das heißt eine genetische Erkrankung und ist wahrscheinlich unterdiagnostiziert. Ich gehe fest davon aus, dass ähnlich wie das Marfan-Syndrom, was ja auch mit einem Hochwuchs einhergeht, auch der Klinefelter unterdiagnostiziert ist. Hellhörig sollten wir werden in dem Moment, wo ein Junge eine schwere Gynäkomastie hat, die keine Rückbildungstendenz zeigt, wenn er leicht disproportioniert hochwüchsig ist, disproportioniert in dem Sinne, dass die Gliedmaßen länger sind als der Rumpf, dass das Verhältnis nicht ganz so gut stimmt. Sie sind auch oft sehr schmächtig dabei und durch ihre chromosomale Störung haben sie auch einen schlechteren Muskelbesatz. Das heißt, ein hochwüchsiger Junge mit einer Gynäkomastie, mit relativ kleinen Testes, mit eher weichen Testes: einmal hellhörig sein. Wer es nicht selbst diagnostizieren will, schickt zum Endokrinologen oder in die Humangenetik, die können das auch. Aber das ist eine von den seltenen Erkrankungen. Das Gleiche gilt letztlich für den Marfan. Da sollten wir auch aufmerksam werden, wenn wir die langen Gliedmaßen haben, die Spinnenfingrigkeit, die Überstreckbarkeit.

Axel Enninger: Frau Grasemann sagt ja zum Klinefelter auch, das ist massiv unterdiagnostiziert.

Esther Maria Nitsche: Ich bin da relativ sicher, wobei meine Trefferquote in der Praxis, in der endokrinologischen Praxis, jetzt nicht so hoch ist, wie ich dachte. Aber in der Tat glaube ich, dass das sehr unterdiagnostiziert ist. Und was seltene Erkrankungen allgemein angeht: Jede einzelne ist selten oder selten diagnostiziert, in der Summe sind es wieder ganz viele.

 

Gesundheitsbewusstsein – manchmal kann man motivieren

Axel Enninger: Okay, Gesundheitsbewusstsein hat ja tatsächlich auch etwas damit zu tun, wie ich mich ernähre. Ernähre ich mich gesund? Ernähre ich mich vegetarisch, vegan? Das ist ja eher so unser gastroenterologisches Thema. Aber dazu gehört natürlich auch Sportmachen, sich bewegen und das Thema Sonnenexposition und Vitamin D. Wie gehen Sie denn da mit Ihren Teenies um?

Esther Maria Nitsche: [Schmunzelt.] Ich berate und empfehle eine Lebensstiländerung – und die Erfolgsquote geht asymptotisch gegen null. Nein, immer mal wieder erwischt man einen, den man tatsächlich motivieren kann, dem früher mal Sport Spaß gemacht hat. Und wenn man es dann rauskriegt – warum nicht? – manchmal kann man ihn motivieren, vielleicht eine andere Sportart zu wählen.

 

Vitamin D – die „ewige Frage“

Esther Maria Nitsche: Vitamin D ist, glaube ich, das emotional besetzteste Hormon, was wir haben. Es geht rauf und runter durch die Presse. Ich selbst stehe auf dem Standpunkt, es handelt sich um ein Steroidhormon, das unter Sonneneinfluss gebildet wird, ja. Aber wer einen Mangel hat, wird substituiert. Das ist meine persönliche Einstellung. Und solange die Jugendlichen ganz viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen und wir keinen Bildschirm haben, der eine Lichtwellenlänge zwischen 270 und 315 Nanometer ausstrahlt, so dass wir dadurch Vitamin D machen, solange brauchen aus meiner Sicht relativ viele von denen eine Supplementation, wobei ich nicht supplementiere, ohne gemessen zu haben.

Axel Enninger: Auch spannend. Es gibt ja auch Daten, die zeigen, dass man wahrscheinlich 1.000 völlig schmerzfrei geben kann. 1.000 I.E., ohne dass man sich damit irgendwelche Intoxikationsprobleme einhandelt.

Esther Maria Nitsche: Absolut. Man schätzt, ungefähr 800 am Tag verbraucht der Jugendliche. Deshalb sind wir mit 1.000 mit Sicherheit auf der sicheren Seite. Aber ich selbst, ja, ich bin halt Endokrinologin, ich weiß schon ganz gerne, wo ich da bin. Wenn mir Eltern sagen, das Kind kriegt es, sage ich nicht: ‚Um Gottes willen, wir müssen gucken.‘ Sie sollen das weitermachen, ohne Frage. Aber ich gucke und da kann ich vielleicht sagen – ganz wichtig: Wer Vitamin D bestimmen lassen möchte, muss auf die Präanalytik achten. Es ist ein lichtempfindliches Hormon, das heißt abnehmen und sofort das Röhrchen in Aluminiumfolie wickeln und vor Licht schützen. Sonst misst man falsch-niedrige Werte und hängt dem Jugendlichen, der eigentlich Fußballer ist und einen guten Spiegel hat, nachher noch einen Vitamin-D-Mangel an.

Axel Enninger: Die Kinder- und Jugendärzte sind ja immer nicht so glücklich, wenn man Vitamin-D-Messungen empfiehlt, weil das irgendwie ein Abrechnungsbudget-Problem gibt, glaube ich.

Esther Maria Nitsche: Das stimmt, das stimmt. Da habe ich natürlich etwas Narrenfreiheit als Endokrinologin, wenn ich es begründen kann. Ich empfehle das auch nicht. Ich mache es, weil ich Endokrinologin bin und weil ich sehr gerne eine messbare Grundlage für meine Handlungen habe. Aber keiner macht einen Fehler, wenn er das sonst supplementiert und Ihre Patienten mit der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, die würde ich auf alle Fälle supplementieren!

Axel Enninger: Die kriegen es alle, gar keine Frage. Die kriegen es alle. Da wissen wir, dass wer einen guten Vitamin-D-Spiegel hat, hat eine gewisse Erniedrigung seines Risikos für einen Schub. Das heißt, unsere CED-Patienten kriegen alle Vitamin D. Sie kriegen sie auch alle gemessen, das bei uns auch kein Problem.

Esther Maria Nitsche: Damit haben Sie schon bewiesen, dass es immunmodulatorisch wirkt, und das schadet auf keinen Fall. Die Diabetiker kriegen es auch alle bei mir.

 

Wünsch mir was – Forschung und Prävention spart Geld

Axel Enninger: Jetzt waren wir bei ganz harten Fakten, nämlich gemessenen Vitamin-D-Werten. Was in der Medizin ja manchmal trotzdem so ist, man wünscht sich Dinge, also das das Gegenteil von „harten Fakten“. Wenn Sie sich in der Versorgung Ihrer jugendlichen Patienten irgendwas wünschen dürften, was würden Sie sich denn wünschen?

Esther Maria Nitsche: Drei Wünsche? Die gute Fee? [Lachen.]

Axel Enninger: Von mir aus drei Wünsche.

Esther Maria Nitsche: Der erste Wunsch wäre tatsächlich, dass es mehr Forschung gibt zu dem Bereich, dass es mehr Leute gibt, die sich tatsächlich wissenschaftlich damit beschäftigen: Wo sind ernsthafte Defizite in der Versorgung? Ich habe Ihnen zitiert aus ausländischen Studien, aus ausländischen Arbeiten. Ich habe Ihnen zitiert, was ich in der eigenen Praxis erlebe. Ich habe keine wirklichen Fakten für Deutschland. Ich würde mir wünschen, dass es sich Leute wissenschaftlich auf die Fahnen schreiben. Ich würde mir wünschen, dass es eine Vorsorgeuntersuchung gibt, speziell für die Jungs, und zwar gerne ungefähr in dem Zeitfenster irgendwo zwischen der J1 und der J2. Dass wir gezielt für die Jungs eine Vorsorge haben mit einem Katalog: Was muss ich gucken, was soll ich beraten? Es gibt die Parallele in der M1 für die Gynäkologie mittlerweile. Da gibt es eine Mädchensprechstunde, die über einen Sondervertrag vergütet wird – von sämtlichen Krankenkassen tatsächlich. Und Sie fragten im Vorgespräch, welches Argument ich denn den Kassen gegenüber hätte? Die Prävention. Die Krankheiten, die wir durch eine gute Beratung bei der Gelegenheit vermeiden, seien das sexuell übertragbare Erkrankungen, seien das sogar jetzt Karzinom-Erkrankungen durch einen hohen Anteil von endokrinen Disruptoren, das spart am Ende Geld. Also ich glaube, das wäre für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation.

Axel Enninger: Das heißt, Sie wollen zusätzlich zu dieser M1 – ich nehm an M1 ist „Mädchen 1“? Oder wofür steht M1?

Esther Maria Nitsche: Das M1 ist Mädchen 1. J1 ist blöd, das ist ja schon besetzt.

Axel Enninger: Genau.

Esther Maria Nitsche: Da müssen wir es dann „Ju1“ oder „Kn1“ für „Knaben“ nennen. Also so weit habe ich noch nicht gedacht, aber ich würde mir wünschen, dass es so eine Möglichkeit gibt, die publik gemacht wird: „Da kannst du hingehen als Junge und da erfährst du alles, was nötig ist.“ Und das Dritte, das ich mir wünschen würde, dass es keinen übersehenen Hodenhochstand mehr gibt, sondern dass die alle bis zum ersten Geburtstag entdeckt werden, weil die Windel bei der Vorsorge konsequent aufgemacht wird.

Axel Enninger: Okay, sehr gut. Wünsche darf man ja haben. Sie dürften auch noch einen 4. und 5.

Esther Maria Nitsche: Wir lassen es bei den dreien.

Axel Enninger: Okay, wir lassen es bei den dreien.

Esther Maria Nitsche: Wenn die drei erfüllt werden, gehe ich in vielen Jahren glücklich in den Ruhestand.

Axel Enninger: Sehr gut. Traditionelles Element in unserem Podcast sind die Dos und die Don‘ts. Sie dürfen sich Dinge überlegen, die Sie positiv gerne an unsere Kolleginnen und Kollegen weitergeben möchten. Sie dürfen aber auch Dinge sagen, wo Sie sagen: ‚Ach Mensch, Leute, das nervt mich. Bitte lasst es doch sein.‘ Müssen Sie nicht, aber dürfen Sie. Sie haben auch die freie Wahl der Reihenfolge.

 

Schweigepflicht zusichern, offene Fragen, Zeitfenster schaffen und sachlich aufklären

Esther Maria Nitsche: Also, ich bin tatsächlich immer eher auf der positiven Seite. Also ein ganz klares Do ist: glaubhaft vermitteln, dass alles, was wir besprechen, im Sprechzimmer bleibt. Das habe ich bisher nicht gesagt. Wirklich die Schweigepflicht zusichern, wenn es sich nicht um etwas Hochkriminelles handelt und wenn es sich nicht um etwas Lebensbedrohliches handelt, dass der Jugendliche es wirklich weiß, egal, was er uns fragt. Und, das hatte ich im Vorgespräch auch gesagt, dafür biete ich solch eine Freitagssprechstunde an, wo nicht mal mehr eine Helferin da ist. Da geht es nur ums Reden. Es bleibt alles hinter diesen verschlossenen Türen und der Jugendliche kann sich darauf verlassen. Ich glaube, das muss man sehr klar formulieren für die Jugendlichen. Ein Do ist: offene Fragen, offene Fragen und dem Jugendlichen auch die Chance geben, neutral zu fragen. Gar nicht zu sagen „ich“ oder „bei mir“, sondern neutral erst einmal vorzufühlen, ob er das Vertrauensverhältnis aufbauen kann, ansprechbar sein. Sie müssen einen erreichen können. Und ich versuche Zeiten zu schaffen, wo sie nicht das Gefühl haben, dass ich unter Druck bin und dass wir unter Zeitdruck sind. Ich empfehle, ein Zeitfenster zu machen für Jugendliche, wo sowohl Mädchen als auch Jungs kommen, bevorzugt getrennt, so dass sie nicht gemeinsam im Wartezimmer sitzen oder möglicherweise einen Klassenkameraden treffen, der dann fragt: „Wieso bist du denn hier?“ Don’t: keine Panikmache, sachliche Aufklärung. Unsere Jugendlichen sind tatsächlich offen für Sachlichkeit, und das finde ich ganz, ganz wichtig. Egal wie emotional die Pubertät verläuft, sachliche Aufklärung für unser Gebiet.

Axel Enninger: Okay, vielen Dank. Das gefällt mir ausgesprochen gut, das Stichwort Sachlichkeit. Da hat man in der aktuellen Situation – und da beziehen wir uns nicht nur auf die Politik – das Gefühl, dass Sachlichkeit und Sachargumente zunehmend schwieriger werden. Aber ich finde deswegen diesen Appell an die Sachlichkeit noch mal sehr schön zum Schluss. Vielen herzlichen Dank für das Gespräch und Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, vielen Dank fürs Zuhören. Und es gilt wie immer: Wir freuen uns über Rückmeldungen. Wir freuen uns über Kommentare. Wir freuen uns auch darüber, dass Sie vielleicht die Shownotes lesen, wo wir so ein paar wichtige Dinge verlinken und wo Sie Dinge noch einmal nachlesen können. Ansonsten vielen Dank fürs Zuhören und bleiben Sie uns gewogen!

 

 

 

Hilfreiche Informationen:

Generelle Überlegungen zu „Jungenmedizin“ im Bereich Jugendmedizin Johns Hopkins _ Maryland:

https://publichealth.jhu.edu/2023/sexual-and-reproductive-health-care-for-male-teens

Konkrete Empfehlungen für eine „Jungensprechstunde“ im Bereich Jugendmedizin:

https://www.reliasmedia.com/articles/76431-what-are-must-have-services-for-your-adolescent-males

Bell DL, Breland DJ, Ott MA. Adolescent and young adult male health: a review. Pediatrics. 2013 Sep;132(3):535-46. doi: 10.1542/peds.2012-3414. Epub 2013 Aug 12. Erratum in: Pediatrics. 2014 Feb;133(2):346. PMID: 23940241.

Marcell AV, Klein JD, Fischer I, Allan MJ, Kokotailo PK. Male adolescent use of health care services: where are the boys? J Adolesc Health. 2002 Jan;30(1):35-43. doi: 10.1016/s1054-139x(01)00319-6. PMID: 11755799.

Springer, Referenzwerte Genitalgröße von Martin Wabitsch – Daten aber von 1975:

https://www.springermedizin.de/emedpedia/detail/paediatrische-endokrinologie-und-diabetologie/referenzwerte-paediatrische-endokrinologie-aeusseres-genitale?epediaDoi=10.1007%2F978-3-662-52794-8_41

Wang, Yi-Nan1,*; Zeng, Qing1,*; Xiong, Feng2; Zeng, Yan2,. Male external genitalia growth curves and charts for children and adolescents aged 0 to 17 years in Chongqing, China. Asian Journal of Andrology 20(6):p 567-571, Nov–Dec 2018. | DOI: 10.4103/aja.aja_51_18

Tomova A, Deepinder F, Robeva R, Lalabonova H, Kumanov P, Agarwal A. Growth and Development of Male External Genitalia: A Cross-sectional Study of 6200 Males Aged 0 to 19 Years. Arch Pediatr Adolesc Med. 2010;164(12):1152–1157. doi:10.1001/archpediatrics.2010.223

Berner Datenbuch Pädiatrie, ISBN: 9783456852843,  8., vollst. überarb. Aufl. 2015

AAP – Statuserhebung Jungenmedizin in der Jugendmedizin 2020:

Grubb LK, Powers M; COMMITTEE ON ADOLESCENCE. Emerging Issues in Male Adolescent Sexual and Reproductive Health Care. Pediatrics. 2020 May;145(5):e20200627. doi: 10.1542/peds.2020-0627. Epub 2020 Apr 27. PMID: 32341182.

Kanada – Statuserhebung Jungenmedizin in der Jugendmedizin 2008:

Westwood M, Pinzon J. Adolescent male health. Paediatr Child Health. 2008 Jan;13(1):31-6. doi: 10.1093/pch/13.1.31. PMID: 19119350; PMCID: PMC2528816.

Schweden – Studie mit Fokus auf die Herausforderung des Heranwachsens männlicher Jugendlicher:

Randell, E., Jerdén, L., Öhman, A., Starrin, B., & Flacking, R. (2015). Tough, sensitive and sincere: how adolescent boys manage masculinities and emotions. International Journal of Adolescence and Youth21(4), 486–498. https://doi.org/10.1080/02673843.2015.1106414

Internationale Autorengruppe, Review zu Männlichkeitsnormen:

Amin A, Kågesten A, Adebayo E, Chandra-Mouli V. Addressing Gender Socialization and Masculinity Norms Among Adolescent Boys: Policy and Programmatic Implications. J Adolesc Health. 2018 Mar;62(3S):S3-S5. doi: 10.1016/j.jadohealth.2017.06.022. PMID: 29455715; PMCID: PMC5817048.

Dänische Studien zum unterschiedlichen Risikoverhalten – hier Cannabisabusus – zwischen Mädchen und Jungen:

Hesse M, Vallentin-Holbech L, Thomsen KR. Which Youth Are at Risk for Cannabis Use Disorders? Boys and Girls Are Not the Same! J Adolesc Health. 2020 Jul;67(1):7-8. doi: 10.1016/j.jadohealth.2020.04.003. PMID: 32564808.

Italien – chirurgische Studie zur Belastung durch genitale Auffälligkeiten in der Adoleszenz:

Zampieri, Nicola1,; Dando, Ilaria2; Camoglio, Francesco Saverio1. Adolescent male genitalia dissatisfaction: a surgical perspective. Asian Journal of Andrology 24(2):p 176-179, Mar–Apr 2022. | DOI: 10.4103/aja.aja_60_21

Editorial im Lancet 2015

Adolescent health: boys matter too. Lancet. 2015 Dec 5;386(10010):2227. doi: 10.1016/S0140-6736(15)01160-5. PMID: 26681274.

Weitere Informationen zu endokrinen Disruptoren können auf Nachfrage von Frau Dr. Nitsche bereitgestellt werden.

 

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USt.-IdNr.: DE 172949642

 

Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Markus Rudolph

 

 

Sprecherin: Das war consilium, der Pädiatrie-Podcast. Vielen Dank, dass Sie reingehört haben. Wir hoffen, es hat Ihnen gefallen und dass Sie das nächste Mal wieder dabei sind. Bitte bewerten Sie diesen Podcast und vor allem empfehlen Sie ihn Ihren Kollegen. Schreiben Sie uns gerne bei Anmerkung und Rückmeldung an die E-Mail-Adresse consilium@infectopharm.com. Die E-Mail-Adresse finden Sie auch noch in den Shownotes. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge!

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